Süddeutsche Zeitung

Insignien des Königs:King Charles, das neue Markenzeichen

Nach dem Tod der Queen wird sich das Königreich auch optisch verändern. Wie lange es dauern wird, bis ihr Antlitz von Briefmarken und Geldscheinen verschwindet - und warum Charles auf den Münzen künftig in die andere Richtung schaut.

Von Nadeschda Scharfenberg

Sie gilt als das am häufigsten vervielfältigte Kunstwerk der Welt: die Profilansicht von Elizabeth II. auf den Dauerbriefmarken der Royal Mail, die seit 1967 in 14 Farben im Umlauf sind. Mit der Gestaltung hatte der Briefmarkenausschuss im Vereinigten Königreich einst den Bildhauer Arnold Machin beauftragt, er fertigte ein Gipsrelief der Queen, das dieser zur Ansicht vorgelegt wurde und zunächst nicht auf ihre volle Zustimmung stieß. Ihr missfiel, dass ihr Hals im Nichts endete, also wurde flugs die Andeutung einer Corsage hinzumodelliert. Das Relief wurde sodann fotografiert und in den vergangenen 55 Jahren auf mehr als 220 Milliarden Briefmarken der sogenannten Machin-Serie gedruckt. Vorstößen der königlichen Post, das Profil zu erneuern, erteilte die Queen zeitlebens eine Absage: Sie sei mit der Darstellung von Machin sehr zufrieden, diese sei nur schwer gleichwertig zu ersetzen.

Nun bedeutet der Tod der Queen das schleichende Ende der Briefmarkenserie, ebenso wie all der anderen Postwertzeichen, in deren Ecke eine kleine Silhouette der Monarchin abgebildet ist. Die Marken sind zwar bis auf Weiteres gültig, doch die Royal Mail hat bereits angekündigt, keine Queen-Elizabeth-Briefmarken mehr zu drucken und demnächst mit der Neugestaltung zu beginnen, mit König Charles III. als Markenzeichen.

Im Alltag der Britinnen und Briten sind die Insignien der Queen bislang allgegenwärtig gewesen, ihr Antlitz ziert nicht nur Briefmarken, sondern auch Münzen und Banknoten, ihr Wappen prangt auf Ketchupflaschen, Heckenscheren oder Konzertflügeln, hergestellt von Firmen, die als königliche Hoflieferanten zertifiziert sind. Und wer zum Beispiel durch London spaziert, entdeckt alle paar Meter ihr Monogramm EIIR, das für "Elizabeth II. Regina" steht (Regina heißt auf Latein Königin) - auf den berühmten roten Briefkästen, auf Absperrpfosten, Flaggen oder Polizeihelmen. Es wird sehr lange dauern, bis Charles III. mit seinem Kürzel CIIIR auch symbolisch die Oberhand in Großbritannien gewinnt. An manchen Stellen werden die Zeichen seiner Mutter noch lange sichtbar bleiben.

Kopf-an-Kopf-Klimpern mit Charles

Bei den Briefmarken, die ja ein Einmal-Gegenstand sind, wird der Austausch vermutlich relativ schnell vonstatten gehen. Das Geld aus der elizabethanischen Ära wird hingegen noch länger in den Geldbeuteln der Nation zu finden sein. 4,5 Milliarden Banknoten und 29 Milliarden Münzen mit dem Konterfei der verstorbenen Queen sind laut einem BBC-Bericht aktuell im Umlauf, auch sie bleiben gültig, werden aber nach und nach durch König-Charles-Geld ersetzt werden. Mindestens zwei Jahre werde es dauern, bis die Geldscheine ausgetauscht sind, schätzt der Guardian.

Bei den Münzen dürfte das um einiges länger dauern, da der Verschleiß geringer ist. Bis zur britischen Währungsreform 1971, als das sperrige System mit Münzen wie Sixpence und Thropenny, Halfpenny oder Quarter-Farthing und komplizierten Umrechnungsfaktoren in ein einfaches Dezimalsystem umgewandelt wurde, waren die Menschen im Königreich es gewohnt, Geldstücke mit verschiedenen Monarchen-Häuptern mit sich herumzutragen. Seither gibt es nur noch Elizabeth-Münzen, aber bald wird wieder ein Kopf-an-Kopf-Klimpern in den Portemonnaies herrschen. So die Briten als Nation der Bargeldlosen überhaupt noch Portemonnaies besitzen; selbst Straßenmusiker lassen sich ihre Spenden dort per Bezahl-App überweisen.

Das neue Erscheinungsbild der Münzen ist noch nicht bekannt, doch eines gilt als gewiss: Der König wird den Blickwinkel ändern. Während Elizabeth auf den Münzen nach rechts schaut, wird Charles' Gesicht nach links gewendet sein. Nach Angaben der königlichen Münzprägeanstalt ist es seit der Regentschaft von Charles II. im 17. Jahrhundert Usus, dass die Könige und Königinnen jeweils in die andere Richtung sehen als ihr Vorgänger. Angeblich wollte Charles II. dem absolutistischen Lordprotektor Oliver Cromwell demonstrativ den Rücken zukehren. Der einzige Monarch, der sich seither dieser Tradition widersetzte, war Edward VIII., Elizabeths Onkel, der wie sein Vorgänger George V. auf den Münzen nach links schauen wollte - angeblich, damit seine Schokoladenseite zu sehen sei. Da Edward aber noch vor seiner Krönung abdankte, kamen die Münzen nie in Verkehr.

Auch außerhalb Großbritanniens ist die Queen als Oberhaupt diverser Commonwealth-Staaten auf Geldscheinen und Münzen abgebildet, zum Beispiel auf den kanadischen 20-Dollar-Noten, der australischen Dollar-Münze und auf sämtlichen Scheinen und Münzen der Ostkaribischen Währungsunion. Es wird also auch anderswo neues Geld geben, Australien hat bereits bekanntgegeben, im kommenden Jahr Münzen mit der Abbildung von König Charles III. einzuführen.

Aus "Kuini Erihapeti Tuarua" wird "Tāre te Tuatoru"

Einen Austausch wird es auch bei den Pässen in Großbritannien und einigen Commonwealth-Staaten geben, die "im Namen Ihrer Majestät" ausgegeben werden, wie auf der Innenseite zu lesen ist. Auch hier gilt: Die bisherigen Ausweise behalten ihre Gültigkeit, bis zum aufgedruckten Ablaufdatum. Wer einen neuen Pass beantragt, erhält ihn künftig im Namen Seiner Majestät. In zehn Jahren dürften die letzten Queen-Pässe verschwunden sein - so lange sind die Ausweise in Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland gültig. In den neuseeländischen Reisepässen war bisher der Name Elizabeths auch in der Sprache der Māori zu lesen, Kuini Erihapeti Tuarua. Hier steht fortan: Tāre te Tuatoru.

Die Ent-Elizabethisierung wird also dauern, es werden keine Münzen eingeschmolzen und auch die schwarzen Pfosten mit den Absperrketten rund um Buckingham Palace, in die das EIIR-Kürzel geprägt ist, werden nicht herausgerissen, sondern erst dann ersetzt, wenn sie kaputt sind. Die königlichen Hoflieferanten dürfen voraussichtlich bis zum zweiten Todestag der Queen mit deren Wappen für ihre Produkte werben, bis dahin haben sie Zeit, König Charles oder Thronfolger William um eine neue Berechtigung zu ersuchen.

Und auch die Zahl der Briefkästen mit CIIIR-Prägung dürfte sich fürs Erste in Grenzen halten, im E-Mail-Zeitalter werden Postboxen ohnehin eher ab- als aufgebaut. Außerdem sind die britischen Exemplare besonders robust, bisweilen überdauern sie Jahrhunderte - der älteste der 115 000 Briefkästen Großbritanniens, zu finden in der Grafschaft Dorset im Südwesten Englands, stammt aus dem Jahr 1853 und trägt die Initialen VR der damaligen Königin Victoria.

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