Süddeutsche Zeitung

Abschied von Elizabeth II.:"Sie war auch ziemlich frech"

Vom Metzger von Balmoral bis zu jenem Geistlichen, der einer der Letzten war, die ihr Gesellschaft leisten durften: Fünf Menschen erinnern sich an besondere Momente mit Elizabeth II.

Von Alexander Mühlauer und Michael Neudecker, London

Die Queen war eine reiche Frau, die in großen Schlössern wohnte, unerreichbar für ihre Untertanen. Oder? Vieles wurde geschrieben und gesagt über die historische Bedeutung von Queen Elizabeth II., ihre Figur wurde schon aufgrund der schieren Dauer ihrer Regentschaft bereits zeitlebens überhöht. Distanz war immer Teil ihrer Art zu regieren, aber das heißt nicht, dass sie nicht auch ein Mensch mit all den Schrulligkeiten und kuriosen kleinen Momenten war, die ein langes Leben fast zwangsläufig mit sich bringt. Seit Tagen erzählen davon jene, die häufiger mit ihr zu tun hatten. Eine Auswahl.

Das Unterhaus verbrachte die ersten beiden Tage nach dem Tod der Queen ausschließlich mit stundenlangen Gedenksitzungen, was zwar keine politischen Lösungen für die gegenwärtige Krise im Land hervorbrachte, aber immerhin die Erkenntnis, dass die ehemalige Premierministerin Theresa May in der Lage ist, pointiert zu erzählen. Sie berichtete, wie sie bei einem Picknick auf Schloss Balmoral eingeladen war und gemeinsam mit den anderen Gästen mithalf, das Essen auf einem Tisch zu platzieren. Sie habe ein paar Stücke Käse genommen und auf eine Platte gelegt, eine Bewegung gemacht, aber dummerweise sei dann der Käse zu Boden gefallen. "Ich hatte in Sekundenbruchteilen eine Entscheidung zu treffen", erzählte May trocken. Sie entschied, den Käse aufzuheben, auf die Platte zu legen und die Platte auf den Tisch zu stellen, als sei nichts geschehen. Nur um dann festzustellen, dass die Queen ihr dabei "aufmerksam zugesehen" habe. "Ich habe sie angesehen, sie hat mich angesehen", erzählte May, "und sie hat nur gelächelt." Kunstpause. "Der Käse blieb auf dem Tisch."

Der Metzger John Sinclair weiß noch genau, wie es war, als er die Queen zum ersten Mal traf. Er war zu einer Gartenparty auf Schloss Balmoral eingeladen und ziemlich nervös. Als die Queen dann aber vor ihm stand, wurde er recht schnell locker. "Diese kleine Frau konnte so gut scherzen", erzählte Sinclair der Times. Und fügte hinzu: "Sie war auch ziemlich frech." Gut zehn Jahre ist das nun her, seitdem hat Sinclair die Königin immer wieder getroffen, zum letzten Mal vor drei Wochen, auch da sei sie noch "wirklich gut in Form" gewesen. Was womöglich auch daran gelegen haben kann, dass Sinclair der Königin bis zuletzt nur das Beste aus seiner Metzgerei geliefert hat. Er ist der Besitzer von HM Sheridan Butchers im schottischen Ballater und als solcher für die Fleisch- und Wurstversorgung auf Schloss Balmoral zuständig. Wenn es dort Barbecues gab, erinnerte sich Sinclair, habe die Queen für gewöhnlich Lamm bei ihm bestellt. Es muss ihr offenbar stets geschmeckt haben, von Beschwerden ist jedenfalls nichts bekannt.

Der Chef der Liberaldemokraten, Ed Davey, hatte am Wochenende eine schmerzliche Entscheidung zu treffen: Es blieb ihm nichts anderes übrig, als den Parteitag seiner LibDems abzusagen. Die Parteitage der Tories und der von Labour finden kurz nach der Staatstrauer-Phase statt, die LibDems dagegen sind nun auf unglückliche Weise der ansonsten immer öffentlichkeitswirksamen Plattform beraubt, die den anderen Parteien erhalten bleibt. Aber Davey ist Politprofi genug, um sich das nicht anmerken zu lassen, das Land denkt im Moment ohnehin an nichts anderes als die Queen. Also berichtete er im Unterhaus, wie er bei einem Essen auf Schloss Windsor "das große Privileg" hatte, wie er sagte, direkt neben der Queen zu sitzen. Er habe sich gewundert über die silberne Glocke am Tisch neben der Queen und gerätselt, was sich wohl darunter verbergen mochte. "Ich hatte einen Verdacht, als zum Dessert die Tür aufging und ihre Corgis hereinliefen, um sich um ihre Füße zu scharen", sagte Davey grinsend. Tatsächlich habe die Queen dann die Glocke gehoben und die auf dem Teller darunter liegenden Leckerlis an die Hunde verfüttert. "Ihre geliebten Hunde", wie Davey betonte. Davey kennt sich aus mit Tieren in der Öffentlichkeit. Als er im Wahlkampf 2019 selbst zum Wahllokal ging, nahm er jemanden mit: Carrot, das Familienmeerschweinchen.

Iain Greenshields dürfte einer der Letzten gewesen sein, die der Queen bei Lunch und Dinner Gesellschaft leisten durften. Wenige Tage vor ihrem Tod war der Vorsitzende der Generalversammlung der Kirche von Schottland auf Schloss Balmoral zu Gast. Zu Tisch habe es "keine Anzeichen für eine ernsthafte Erkrankung" gegeben, erinnerte er sich nun im Gespräch mit der Agentur Reuters. Im Gegenteil: "Sie schien für ihr Alter noch viel Energie zu haben und sehr entspannt zu sein." Man habe über den Krieg in der Ukraine gesprochen, erzählte Greenshields, die Queen habe sich deshalb große Sorgen gemacht. Und dann habe man noch über Pferde geredet. "Die Königin erinnerte sich daran, dass sie vor vielen Jahren, ich glaube, es war vor fast 40 Jahren, ein Pferd namens Dunfermline besaß, das einige Rennen für sie gewonnen hatte." Diese Geschichte dürfte für eine gewisse Erheiterung am Tisch gesorgt haben, schließlich kommt Greenshields ausgerechnet aus Dunfermline, einer Stadt im Norden Schottlands.

Es gab eine Zeit, da interessierte sich so gut wie niemand für die Labour-Politikerin Harriet Harman. 1998 war das, kurz nachdem sie als Sozialministerin aus dem Kabinett des Premiers Tony Blair entlassen worden war. Ihr Terminkalender sei damals leer gewesen, das Telefon habe nicht geklingelt, erinnerte sich Harman in diesen Tagen. Umso erstaunter sei sie gewesen, als ihr Büro einen Anruf vom Buckingham Palace erhalten habe: "Niemand wollte etwas mit mir zu tun haben. Nur die Queen wollte mich sehen." Ja, die Königin habe sie eingeladen, um ihr für ihren Dienst als Ministerin zu danken, erzählte Harman. Und zwar bei einer Tasse Tee.

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