Stilkritik: FDP-Grafik:Nachholbedarf im Pyramidenbauen

Pyramidengrafik im FDP-Papier zum sogenannten „D-Day“. (Foto: FDP)

Jeder kennt sie aus dem Schulunterricht: die Pyramidengrafik, wie sie auch im sogenannten „D-Day“-Papier der FDP Verwendung fand. Aber was will die FDP uns mit dieser Zuspitzung eigentlich wirklich sagen?

Von Martin Zips

Neben der Weihnachtspyramide und der Pharaonengrab-Pyramide gehört die Pyramidengrafik zu den interessantesten optischen Formen. Ihr auf dem Dreieck beruhendes Design stellt – im Idealfall auch von Schülerinnen und Schülern sofort verständlich – ähnlich dem Flaschendiagramm eine deutliche Zuspitzung dar. Ihre Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig: Mal geht es darum (etwa bei der Ernährungspyramide), das Thema gesunde Verköstigung einprägsam zu visualisieren, dann eher (wie bei der Alterspyramide), um ein bedrohliches Zukunftsszenario aufzuzeigen, oder (wie bei der politischen Pyramide) vor absolutistischen Herrschaftsstrukturen zu warnen. Möchte man mit einer Pyramidengrafik einen zeitlichen Ablauf darstellen, so wie etwa im achtseitigen FDP-Papier zum sogenannten „D-Day“, so empfiehlt es sich dringend, die Pyramide auf ihre Spitze zu stellen. Im erwähnten internen liberalen Strategieblatt hätte dies die Leserichtung von Phase 1 („Impuls“) zu Phase 4 („Beginn der offenen Feldschlacht“) deutlich erleichtert.

Aufgrund von Aufbau und Wortwahl erinnert die FDP-Pyramide übrigens am ehesten an die in der Sozialpsychologie beliebte grafische Darstellungsform der Gewaltpyramide, laut der es oft nur wenige Schritte von der Mikroaggression zur Makroaggression sind.  Einen praktischen Ausweg könnte hier die göttliche Pyramide bieten, laut der der Mensch in seiner Existenz zwar von sich (a) und seinem Gegenüber (b) bestimmt wird, zugleich aber auch drohnenartig von einem dritten, deutlich höher gelegenen Punkt (c) aus beobachtet wird, dem er sich später einmal zu den Gründen seines Handelns und Nichthandelns erklären wird müssen.

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