Prozesse - Regensburg:Wolbergs-Verteidiger fordert Einstellung des Verfahrens

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Regensburg (dpa/lby) - Zum Auftakt des zweiten Korruptionsprozesses um den suspendierten Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs hat dessen Verteidiger die Einstellung des Verfahrens gefordert. Der Münchner Anwalt Peter Witting begründete dies am Dienstag vor dem Landgericht mit inhaltlichen Überschneidungen mit dem ersten Prozess. Nach Ansicht Wittings handelt es sich bei den Vorwürfen aus den beiden Verfahren um eine einheitlich zu sehende Tat. Somit lägen ein Verfahrenshindernis und ein Befassungsverbot vor - das Gericht dürfe sich demnach mit den Vorwürfen nicht befassen. Die Staatsanwaltschaft sieht das anders.

Der Vorsitzende Richter Georg Kimmerl erklärte, die Strafkammer werde sich bis zum nächsten Sitzungstermin am 16. Oktober mit dem Antrag auf Verfahrenseinstellung befassen. Wolbergs muss sich erneut im Zusammenhang mit Parteispenden verantworten. Im ersten Prozess war der 48-Jährige wegen zwei Fällen von Vorteilsnahme verurteilt und in den weiteren Anklagepunkten freigesprochen worden. Das Gericht verzichtete auf eine Strafe.

Im zweiten Prozess lauten die Vorwürfe gegen Wolbergs auf Bestechlichkeit und Vorteilsnahme. Zwei Bauunternehmer müssen sich wegen Bestechung und ein dritter wegen Vorteilsgewährung verantworten. Der Anklage nach wollten sich die Unternehmer das Wohlwollen Wolbergs' bei der Vergabe von Bauprojekten sichern. Wolbergs weist die Vorwürfe wie auch im ersten Prozess zurück.

Die Stimmung zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft war wie auch im ersten Verfahren angespannt. Seinen Antrag, das Verfahren gegen Wolbergs einzustellen, begründete Witting ausführlich auch mit Ermittlungsfehlern der Staatsanwaltschaft bezüglich des ersten Verfahrens. Diese stellten Verstöße gegen den Fair-Trial-Grundsatz (zu deutsch: Recht auf ein faires Verfahren) dar. Der Anwalt zählte unter anderem Fehler bei der Pressearbeit der Staatsanwaltschaft sowie Grundrechtsverstöße durch die Ermittler bei der Telekommunikationsüberwachung auf.

Abgesehen davon, dass aus Sicht der Verteidigung die Vorwürfe um Parteispenden der drei nun mit auf der Anklagebank sitzenden Bauunternehmer an Wolbergs mit den Spendenvorwürfen aus dem ersten Prozess ohnehin als eine einheitliche, zusammenhängende Tat zu sehen sind, sei das Verfahren von der Anklagebehörde künstlich aufgespalten worden, kritisierte Witting. Ein Teil der nun zu behandelnden Themen sei Bestandteil des ersten Verfahrens gewesen. Er verwies auf das sich aus dem Grundgesetz ableitende Verbot der Doppelbestrafung. Ehe das Gericht nicht über den Antrag entschieden habe, würden weder er noch Wolbergs sich zu den Vorwürfen äußern, kündigte Witting an.

Der erneute Prozess habe zudem zur Folge, dass das Verwaltungsgericht Wolbergs Antrag auf Aufhebung seiner Suspendierung nicht stattgegeben habe, was den Wahlkampf seines Mandanten erschwere und dessen Chancen schmälere, im kommenden Jahr wiedergewählt zu werden. Wolbergs kandidiert erneut im Rennen um den Posten des Oberbürgermeisters - allerdings nicht mehr für die SPD, aus der er inzwischen ausgetreten ist, sondern für den Wahlverein "Brücke".

Oberstaatsanwalt Jürgen Kastenmeier - den Wolbergs im ersten Prozess als "Obergschaftler" tituliert hatte - sprach von "hartem Tobak, den wir uns hier anhören müssen". Das Verfahren sei nicht künstlich aufgespalten worden, entgegnete er, vielmehr hätten sich im Zuge der Ermittlungen immer mehr Themenkomplexe ergeben. Diese hätten nicht zeitgleich abgeschlossen werden können. Den Vorwurf, seine Behörde habe gegen das Fair-Trial-Gebot verstoßen, bezeichnete er als hanebüchen und die von Witting aufgelisteten Ermittlungsfehler als "olle Kamellen", die längst bekannt seien. "Damit müssen wir umgehen, aber es gibt kein Verfahrenshindernis."

Die Strafkammer um den Vorsitzenden Richter Kimmerl hatte die erste der nun zu verhandelnden Anklagen im März 2019 zunächst abgelehnt - mit eben der Begründung, dass es eine inhaltliche Überschneidung mit den Vorwürfen aus dem damals bereits laufenden ersten Prozess gebe und somit ein Verfahrenshindernis vorliege. Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hatte das anders gesehen und die Anklage daraufhin dennoch zugelassen, weswegen es nun zum zweiten Prozess kam - samt zweier weiterer Anklagen.

Witting hatte darauf hingewiesen, dass es keine direkte Bindung des Landgerichts an die Entscheidung des OLG gebe. "Das ist richtig", pflichtete ihm Kimmerl bei. "Richtig ist aber auch, dass das OLG das direkt höhere Gericht des Landgerichts ist." Bis zum nächsten Mal werde sich die Kammer die Sache durch den Kopf gehen lassen. "Die rechtliche Problematik ist schwierig."

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