Prozesse - Poppenhausen (Wasserkuppe):Prozess um tödlichen Flugunfall: "Tut mir wahnsinnig leid"

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Der Schriftzug "Landgericht" hängt an der Fassade des Landgerichts Fulda. Foto: Arne Dedert/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Fulda (dpa) - Wie konnte es zu dem schweren Flugunfall auf der Wasserkuppe kommen, bei dem eine Mutter und ihre beiden Kinder ihr Leben verloren? Den Piloten der Unglücksmaschine beschäftigt diese Frage Tag für Tag, wie er zum Beginn des Prozesses vor dem Landgericht Fulda deutlich macht. "Es tut mir wahnsinnig leid", sagt er mit leiser, stockender Stimme und kämpft dabei mit den Tränen. Seit Dienstag muss sich der 58-Jährige aus Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Gefährdung des Luftverkehrs vor Gericht verantworten.

Bei dem Unglück am 14. Oktober 2018 auf Hessens höchstem Berg in der Rhön war das Leichtflugzeug über die Landebahn hinausgeschossen und hatte eine 39 Jahre alte Mutter sowie ihre zwölf Jahre alte Tochter und ihren elfjährigen Sohn getötet. Die Maschine durchbrach eine Schranke und erfasste die drei Passanten auf einem angrenzenden Fußweg mit noch laufendem Propeller. Sie waren sofort tot.

Laut Anklageschrift soll der Pilot seine Sorgfaltspflichten nicht ausreichend beachtet und dadurch den Tod der drei Menschen verursacht haben. Auf dem Flug von Mannheim in die hessische Rhön sei die Maschine vom Typ Cessna 172N mit mindestens 32 Kilo überladen gewesen, sagte der Staatsanwalt bei der Verlesung der Anklageschrift. Wegen der dadurch entstehenden Leistungseinbußen hätte der Pilot nach Auffassung der Anklagebehörde nicht fliegen dürfen. Vor dem Flug soll er es versäumt haben, das Gewicht der mit vier erwachsenen Passagieren besetzten Maschine zu prüfen. Auch Fehler wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor. So geht es im Prozess um die Frage, ob der Mann den vorgegebenen Landeanflug verkürzte, dann zu spät versuchte, durchzustarten und die Landeklappen falsch bediente. Das Manöver misslang, und es kam zu dem Unglück.

Ein Zeuge schilderte zum Prozessauftakt, dass er zusammen mit dem Angeklagten bereits mehrfach auf der Wasserkuppe gewesen sei, auch mit einer baugleichen Maschine. Bis zum Durchstarten sei der Flug normal verlaufen und "die Welt in Ordnung" gewesen, sagte der Mann. Auch das Durchstart-Manöver selbst sei für ihn nichts Dramatisches gewesen, da es sich eigentlich um den besten Weg handele, wenn klar sei, dass eine Maschine nicht aufgesetzt werden könne. Er habe jedoch rasch gemerkt, dass das Flugzeug nicht an Höhe gewinne. Kurz darauf sei die Tragfläche nach rechts gekippt. Da habe er gemerkt, dass ein Notfall vorliege.

Als Nebenkläger nimmt der Vater der beiden Kinder an dem Prozess teil. Sein Vertreter machte deutlich, dass es ihm in dem Verfahren mehr um die Aufklärung des Unglücks gehe als um das Strafmaß. "Es ist klar geworden, dass der Angeklagte eine Situation erlebt hat, die keiner erleben möchte. Das gleiche gilt für den Geschädigten", sagte der Anwalt in einer Prozesspause.

Der Verteidiger des 58-Jährigen sprach von einer "Tragödie". Sein Mandant sei von dem Geschehen "in höchstem Maße getroffen" und wolle versuchen, Aufklärungshilfe zu leisten. Einerseits sei durch das Unglück unermessliches Leid ausgelöst worden. Dennoch, so der Anwalt "macht man es sich vielleicht etwas einfach, wenn man sagt, der Pilot ist an allem schuld." So sei der 58-Jährige der Überzeugung gewesen, alles Notwendige für ein Durchstarten eingeleitet zu haben. Während des Prozesses gehe es darum, die Anflug- und die Beladungssituation ebenso genau zu klären wie die Windverhältnisse zum Zeitpunkt der Landung sowie Fragen zur Markierung der Landebahn.

Der Pilot selbst erklärte, seit dem Unglück sei er nicht mehr geflogen und wisse auch nicht, ob er je wieder die Kraft aufbringe, die Verantwortung als Pilot zu übernehmen. Auch nachts träume er von dem Unglück. Für den Prozess sind noch acht weitere Verhandlungstage angesetzt.

© dpa-infocom, dpa:210301-99-644579/4

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