Prozesse - Lübeck:Zehn Jahre für Mutter wegen Misshandlung gefordert

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Lübeck (dpa/lno) - Im Misshandlungsprozess gegen eine 49 Jahre alte Mutter vor dem Lübecker Landgericht hat die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von zehn Jahren gefordert. Der Verteidiger erhob dagegen schwere Vorwürfe gegen das Gesundheitssystem und forderte für seine Mandantin eine milde Strafe. Einen konkreten Antrag stellte er am Montag nicht. Der Frau aus Lensahn im Kreis Ostholstein wird vorgeworfen, jahrelang gegenüber Krankenkassen, Behörden und Ärzten behauptet zu haben, ihre Tochter und ihre drei Söhne litten an schweren chronischen Erkrankungen.

Nach Aussage einer psychiatrischen Sachverständigen leidet die Angeklagte an einem sogenannten Münchhausen-Stellvertretersyndrom. Bei dieser psychischen Störung erfinden Eltern bei ihren Kindern Krankheitssymptome, um Aufmerksamkeit zu bekommen.

Zur Untermauerung der behaupteten Krankheitssymptome soll die Mutter ihre Kinder gezwungen haben, viele Stunden des Tages im Rollstuhl zu verbringen. "Dadurch hat sie ihren Kindern schweren seelischen Schaden zugefügt und sie gequält", sagte Staatsanwältin Renate Hansen. Besonders augenfällig sei das im Fall der heute 18 Jahre alten Tochter. Als die Mutter behauptete, das Mädchen leide an Arthrose und der Glasknochenkrankheit, sei für die damals 14-Jährige eine Welt zusammengebrochen, sagte Hansen. Vor Gericht hatte das Mädchen ausgesagt, sie habe damals an Selbstmord gedacht.

Als Hauptmotiv sieht die Staatsanwaltschaft neben der Geltungssucht die Geldgier der Angeklagten. Sie habe die Sozialkassen und den Kreis Ostholstein unter anderem durch ungerechtfertigte Pflegegeldzahlungen um mehr als 135 000 Euro betrogen, sagte Hansens Kollegin Dorothea Röhl.

Die beiden Staatsanwältinnen forderten, die 49-Jährige wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen in vier Fällen und gewerbsmäßigen Betrugs in 17 Fällen zu verurteilen. Die Angeklagte hatte bis zum Schluss geschwiegen.

Verteidiger Frank-Eckhard Brand sagte, seine Mandantin sei nur bedingt für das Geschehen verantwortlich zu machen. "Es ist ein Manko des Gesundheitswesens, dass eine einmal im Raum stehende Diagnose kaum hinterfragt, sondern im Rahmen kollegialer Wertschätzung immer weiter getragen wird", sagte er. So sei bei der Mutter aufgrund ihrer psychischen Störung das Signal angekommen, dass ihre Kinder tatsächlich krank seien, sagte Brand.

Das Urteil soll am 13. November um 8.30 Uhr verkündet werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: