Prozesse - Leipzig:Luftreinhalteplan für Reutlingen muss überarbeitet werden

Baden-Württemberg
Die Luftmessstation Reutlingen Lederstraße. Foto: Marijan Murat/dpa/Archiv (Foto: dpa)

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Leipzig/Reutlingen (dpa) - Der Luftreinhalteplan für die Stadt Reutlingen muss überarbeitet, aber nicht zwingend um Diesel-Fahrverbote ergänzt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Donnerstag entschieden. (Az.: BVerwG 7 C 3.19) Die Bundesrichter änderten damit ein vorheriges Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Mannheim ab. Der VGH hatte Fahrverbote noch als unumgänglich angesehen, um schnellstmöglich den Grenzwert für die Stickstoffdioxid-Belastung in Reutlingen einhalten zu können. Der Wert liegt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel.

Geklagt hatte - wie in zahlreichen anderen Städten auch - die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Reutlingen hatten gegen das VGH-Urteil Revisionen eingelegt - und sich damit in Leipzig jetzt teilweise durchgesetzt. Die Leipziger Richter betonten, dass es auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen ankomme. Wenn eine Einhaltung des Grenzwerts in Kürze absehbar sei, dann könnten Verkehrsverbote unverhältnismäßig sein. Reutlingen rechnet für 2020 damit, den Grenzwert zu erreichen. 2019 lag der Stickstoffdioxid-Wert noch bei 46 Mikrogramm.

Der VGH habe mit seiner Forderung nach zwingenden Diesel-Fahrverboten die Verhältnismäßigkeitsüberlegungen überspannt, die das Bundesverwaltungsgericht schon vor zwei Jahren in seinen Entscheidungen zu Diesel-Fahrverboten in Stuttgart und Düsseldorf angestellt hatte, sagte der Vorsitzende Richter Andreas Korbmacher.

Die Bundesrichter gaben der Stadt und dem Land Baden-Württemberg trotzdem auf, den Luftreinhalteplan zu überarbeiten, weil er Prognosefehler aufweise. Es sei nicht nachvollziehbar begründet, wie die Autodichte gesenkt werden solle. Diese Prognosemängel hatte auch der VGH zuvor festgestellt.

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte, das Revisionsverfahren habe Klarheit geschaffen und die Grenzwertdebatten beendet. "Das Bundesverwaltungsgericht hat zugleich klargemacht, dass auf Verkehrsverbote verzichtet werden kann, wenn es eine Prognose auf hinreichend sicherer Grundlage gibt, dass der Grenzwert in Kürze eingehalten wird."

Bezogen auf Reutlingen werde nach einem aktuellen Gutachten aufgrund zahlreicher vom Land und von der Stadt ergriffener Maßnahmen der EU-Grenzwert im Jahr 2020 auch ohne Verkehrsverbote eingehalten, sagte Hermann. Dabei handelt es sich beispielsweise um eine Verkehrsreduzierung, ein Lastwagen-Durchfahrtsverbot, Geschwindigkeitsbeschränkungen und eine temporäre Fahrspurreduzierung. Während in Baden-Württemberg im Jahr 2018 noch in 14 Städten die Grenzwerte für NO2 überschritten wurden, war dies laut Hermann im Jahr 2019 nur noch in vier Städten der Fall. "Mit dieser Minderungsrate liegen wir weit über dem Bundesdurchschnitt."

Der Tübinger Regierungspräsident Klaus Tappeser zeigte sich mit dem Urteil zufrieden. "Wir werden den Luftreinhalteplan fortschreiben. Diese Fortschreibung wird aber mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Fahrverbote mit sich bringen." Stattdessen sollen laut Tappeser andere Maßnahmen in den Plan aufgenommen werden. Dazu zählten eine wirksame Kontrolle des Schwerlastverkehrs und die Umstellung der Stadtbusflotte auf E-Antrieb.

Der Reutlinger Oberbürgermeister Thomas Keck (SPD) betonte, dass die Stadt bei der Luftreinhaltung auf einem guten Weg sei - auch ohne Fahrverbote. Dabei seien schon die anderen Maßnahmen, die die Kommune ergriffen habe, nicht immer auf das Verständnis der Bürger gestoßen.

Auch die Deutsche Umwelthilfe wertete das Urteil als Erfolg. "Es ist ein guter Tag für die Gesundheit", sagte der DUH-Anwalt Remo Klinger. "Das Urteil wird sich auf viele andere Städte auswirken, wo es noch Grenzwertüberschreitungen gibt."

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