Prozesse - Hannover:Der "Querdenker"-Hauptkommissar muss gehen

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Ein angeklagter Polizist (r) steht kurz vor Beginn der Verhandlung in einem Saal vom Fachgerichtszentrum Hannover. Foto: Moritz Frankenberg/dpa (Foto: dpa)

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Hannover (dpa/lni) - Seine Nähe zur "Reichsbürger"-Bewegung, seine Auftritte bei "Querdenker"-Demonstrationen und die Verbreitung von Verschwörungstheorien kosten einen Kriminalhauptkommissar aus Hannover nun das Beamtenverhältnis. Das hat das Verwaltungsgericht Hannover am Donnerstag entschieden.

Ein Polizeibeamter habe die Pflicht, sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bekennen, sagte der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht Hannover, Martin Goos, am Donnerstag zur Urteilsbegründung. Ein Polizeibeamter habe auch ein besonderes Dienst- und Treueverhältnis zum Staat. "Damit verträgt sich Ihr Verhalten nicht", sagte der Richter an die Adresse des Kriminalhauptkommissars.

Die Polizeidirektion Hannover hatte eine Disziplinarklage gegen den 58-Jährigen eingereicht, um ihn aus dem Dienst zu entfernen. Vorgeworfen wurde ihm unter anderem, der "Reichsbürger"-Bewegung anzugehören sowie staatliche Institutionen verunglimpft und auf Veranstaltungen der sogenannten Querdenker-Szene Verschwörungstheorien verbreitet zu haben.

Zum Prozessauftakt lehnte das Gericht zunächst einen Antrag der Verteidigung auf Ausschluss der Öffentlichkeit ab. Es gehe nicht um persönliche Lebensumstände des Mannes, sagte der Richter. Der Vorwurf der Nähe zur "Reichsbürger"-Bewegung erscheine berechtigt, sagte Goos. Der 58-Jährige folge entsprechenden Argumentationsmustern, er habe in einem Antrag für einen Staatsangehörigkeitsausweis als Geburtsland "Preußen" genannt und seinen Personalausweis abgegeben. "Sie stellen die Legitimität des Staates infrage", sagte der Richter. "Reichsbürger" bestreiten die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und erkennen ihre Rechtsordnung nicht an.

Der Polizist aus Hannover, seit 1981 im Polizeidienst, war früheren Angaben zufolge nach einer Rede bei einer Demonstration gegen die Corona-Schutzmaßnahmen in Dortmund vorerst vom Dienst entbunden worden. Der Mann hatte sich bei der Kundgebung im August 2020 mit vollem Namen als Kriminalhauptkommissar vorgestellt und die Corona-Regeln hinterfragt. Dabei forderte er seine Kollegen auf, sich in der Corona-Lage mehr ihrem Gewissen als dem Gehorsam verpflichtet zu fühlen. Auch in anderen Städten trat er auf, darunter Berlin.

Richter Goos betonte, der 58-Jährige sei bisher ein "guter Beamter" gewesen, aber nun nicht mehr tragbar. Er erkenne "Zorn, aber auch etwas Geltungsbedürfnis" bei dem Mann.

"Sie dürfen zornig sein und Sie dürfen Kritik üben", betonte der Richter. Was aber nicht gehe, sei "Schwadronieren" über angebliche geheime Militäroperationen, Bunker unter dem Berliner Flughafen oder dem Stuttgarter Bahnhof, wo Migranten untergebracht würden, oder das Verunglimpfen der Bundesregierung als "Regime" - eine abwertende Bezeichnung für totalitäre Herrschaft. Der 58-Jährige tat dies als "Kneipengespräche" ab.

Der Hauptkommissar sagte, er habe einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt, weil er auf die Karibikinsel Curaçao habe auswandern wollen - er sei mit vielem in Deutschland unzufrieden. In dem Antrag werde die Abstammung abgefragt, sein Großvater stamme aus Preußen. Der Richter korrigierte: Nicht die Abstammung werde abgefragt, sondern das Geburtsland des Mannes - die Bundesrepublik Deutschland.

Der Hauptkommissar blieb dennoch dabei: Er werde sich weiter zu Missständen äußern, er habe sich nichts zuschulden kommen lassen, die Corona-Maßnahmen halte er für nicht verfassungskonform - kündigen werde er nicht. Das muss er nun auch nicht mehr. Sein Anwalt lehnte eine Stellungnahme zu dem Urteil ab.

Der Vorsitzende des Innenausschusses im niedersächsischen Landtag, Thomas Adasch, bezeichnete das Urteil Als "gutes Signal" und "folgerichtig". Er sei darüber erleichtert, sagte der CDU-Politiker.

© dpa-infocom, dpa:220427-99-68537/6

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