Prozesse - Hanau:Zeugin in Mordprozess: Kinder wurden in Säcke gesteckt

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Hanau (dpa/lhe) - Im Hanauer Mordprozess gegen eine Sekten-Chefin hat eine Zeugin von weiteren Kindesmisshandlungen berichtet. Eine Aussteigerin sagte am Donnerstag vor dem Landgericht Hanau, dass ihr Adoptivsohn ebenfalls in einen Sack eingeschnürt wurde. Er sei am Hals zugebunden worden. Der Junge sei mit Würgemalen ins Krankenhaus gekommen. In der Sekte lebte damals auch ein vierjähriger Junge mit seinen Eltern. Er wurde laut Anklage ebenfalls in einen Sack gesteckt, der aber sogar über dem Kopf zusammengeknotet gewesen sein soll. Der Vierjährige soll demnach darin erstickt sein. Der Fall aus dem Jahr 1988 wird der Sekten-Chefin (72) in dem seit drei Wochen laufenden Prozess zur Last gelegt.

Die Angeklagte soll den Jungen laut Anklage als "von den Dunklen besessen" angesehen haben. Die Sekten-Chefin bestreitet die Vorwürfe. Die Polizei ging damals davon aus, dass der Junge an Erbrochenem erstickte - ein Unglücksfall ohne Fremdeinwirkung.

Die Zeugin berichtete, dass in der Gruppe damals die Rede davon gewesen sei, dass Gott auch ihren Sohn "holen" wolle - und zwar auf "direktem Weg". Sie habe ihren Sohn aber nicht aus der Gruppe herausholen können, weil sie nach einer Gehirnwäsche dazu nicht fähig gewesen sei. Ihr Selbstvertrauen sei komplett zerstört gewesen.

Zum Todesopfer, dem vierjährigen Jungen, sagte die Zeugin: Er habe wegen der Misshandlungen und Schimpftiraden, die er über sich habe ergehen lassen müssen, regelrecht "vergreist" gewirkt. Er habe den Kopf stets gesenkt und keine Freude am Leben empfinden können.

Die Sekten-Chefin habe zudem die Gruppe streng geführt. Auf ihren Befehl hin sei extreme Sparsamkeit verordnet gewesen. So sei zum Beispiel Schimmel aus alten Lebensmitteln rausgeschnitten worden.

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