Prozesse - Hamburg:29-Jähriger ermordet Freundin und Mutter

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Eine Figur der blinden Justitia. Foto: Sonja Wurtscheid/dpa/Symbolbild (Foto: dpa)

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Hamburg (dpa/lno) - Sieben Monate nach der Ermordung zweier Frauen in Hamburg-Bramfeld hat das Landgericht die dauerhafte Unterbringung des Täters in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Der 29-Jährige habe seine Freundin und Mutter heimtückisch getötet, sagte die Vorsitzende Richterin Jessica Koerner am Dienstag. Er leide jedoch an einer paranoiden Schizophrenie und habe im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt. Durch jahrelangen Konsum von Cannabis und Kokain sei der Mann psychisch schwerst erkrankt und stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit dar. Mit dem Urteil entsprach das Gericht den Forderungen von Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Nebenklagevertretern. Der 29-Jährige und die Staatsanwaltschaft nahmen das Urteil an. Damit wurde es rechtskräftig (Az. 621 Ks 4/21).

Nach Überzeugung der Strafkammer erwürgte der Deutsche am Abend des 5. Februar 2021 seine 24-jährige Lebensgefährtin, als diese ein Bad nehmen wollte. Zudem stach er ihr mit einem Messer in den Hals. Anschließend zerteilte er ihren Leichnam. In seinem Wahn habe er geglaubt, sie wolle ihn umbringen, erklärte die Richterin. Nach dem ersten Mord habe er befürchtet, seine Mutter wolle ihn erschießen. Als die 53-Jährige ihn am Nachmittag des 7. Februar besuchen wollte, habe er sie mit 63 Messerstichen und Schnitten an der Wohnungstür tödlich verletzt. Die Leichen fanden die Ermittler in der Wohnung des Mannes.

Koerner sprach von "zwei grauenvollen Taten". Der 29-Jährige habe nach der Ermordung seiner Freundin auch deren Hund erschlagen und den Kadaver zusammen mit dem Handy in einen Entwässerungsgraben geworfen. Zuvor habe er einen Chatverlauf vorgetäuscht, demzufolge sie ihn mit dem Hund verlassen hatte. Auch seiner Mutter erzählte er, die Freundin habe sich mit dem Hund aus dem Staub gemacht. In Sorge um ihren Sohn wollte die Mutter ihn besuchen. Er habe darauf bestanden, dass sie allein komme. Als die Mutter an jenem Sonntagabend nicht mehr erreichbar war, alarmierte der Bruder des Täters die Polizei.

Der 29-Jährige sei vor den Taten nie gewalttätig gewesen, sagte Koerner. Freunde und Bekannte hätten ihn als freundlich beschrieben. Die ersten Symptome seiner psychischen Erkrankung seien ein Jahr zuvor aufgetreten. Er habe Ängste gehabt und befürchtet, verfolgt und getötet zu werden. Sein Vater wolle ihn umbringen, um ihn als Erbe aus dem Weg zu räumen. Im November vertraute er seiner Freundin an, seine Wohnung sei "seine Fluchtburg". Seinem besten Freund habe er per Chatnachricht die Freundschaft gekündigt. Auch von seiner Freundin trennte er sich.

Im Januar 2021 habe er nach einem Besuch bei einem Bekannten eine Schnittverletzung an der Hand gehabt, vermutlich von einer Machete. Nach anfänglichem Sträuben nahm er medizinische Hilfe an und erklärte seinem Bruder, er habe Stimmen gehört. Er machte die Trennung von der Freundin rückgängig. Gemeinsam mit der Mutter organisierte sie nun eine Therapie. Nur wenige Tage vor den Taten, am 2. Februar, habe er an einem ersten Therapiegespräch teilgenommen.

Auslöser für den Mord an seiner Freundin sei eine angebliche Äußerung von ihr gewesen, erklärte die Richterin. Die 24-Jährige habe ihm gesagt, sie wolle sich eine Schwarze Witwe tätowieren lassen. Das habe er zumindest später einem psychiatrischen Sachverständigen berichtet. Er sei demnach in ihrem Arm aufgewacht und habe geglaubt, sie wolle ihm das Genick brechen. Da habe er ihr zuvorkommen wollen.

Koerner und die Nebenklagevertreterin der Eltern der ermordeten jungen Frau warnten eindringlich vor der Verharmlosung von Cannabis und Kokain. Diese Drogen könnten bei völlig unauffälligen Menschen mit einer bestimmten genetischen Disposition Schizophrenie und Wahnvorstellungen auslösen. "Leider scheint diese Erkenntnis in der Öffentlichkeit kaum verbreitet zu sein", erklärte die Richterin.

Dabei nähmen diese Fälle zu. Für die Strafkammer sei es bereits der dritte Fall dieser Art innerhalb kurzer Zeit, und der zweite, bei dem der Angeklagte die eigene Mutter getötet habe. Um auf die Gefahren der angeblich harmlosen Droge Cannabis hinzuweisen, sei die Öffentlichkeit von dem Prozess nicht ausgeschlossen worden, obwohl das bei sogenannten Sicherungsverfahren eigentlich üblich sei.

© dpa-infocom, dpa:210906-99-115835/5

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