Prozesse - Gießen:Proteste gegen A49-Ausbau: Fall "Ella" erneut vor Gericht

Demonstrationen
Ein Justizbeamter steht in einem Gerichtssaal. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Symbolbild (Foto: dpa)

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Gießen (dpa/lhe) - Über ein Jahr nach den umstrittenen Rodungen im Dannenröder Forst zum Ausbau der Autobahn 49 hat am Montag in Gießen der Berufungsprozess gegen eine Umweltaktivistin begonnen. Sie habe damals aus einem "Überlebensinstinkt" heraus gehandelt, sagte sie zu der Anklage. Die Frau soll im November 2020 bei der Räumung des Protestcamps in dem mittelhessischen Waldstück in rund 15 Metern Höhe einen Polizisten mehrfach ins Gesicht und einmal gegen den Kopf getreten sowie einem weiteren Beamten ihr Knie ins Gesicht gerammt haben.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihr unter anderem gefährliche Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vor. In der ersten Instanz urteilte das Amtsgericht in Alsfeld, die Frau solle für zwei Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Dagegen legten sie und auch die Staatsanwaltschaft Berufung ein, das Gießener Landgericht hat nun Verhandlungstermine bis Anfang März bestimmt.

Das Besondere an diesem Verfahren: Die Identität der kleinen, augenscheinlich jungen Frau ist nach wie vor nicht geklärt. Zur Berufungsverhandlung erscheint sie ganz in Schwarz gekleidet, die Haare unter einer schwarzen Mütze und der Großteil des Gesichts hinter einer schwarzen Maske verborgen. Als sich die Kameras der Fotografen auf sie richten, hält sie sich einen aufgeklappten Aktenordner vors Gesicht - darauf ein Aufkleber mit der Aufschrift "Free Ella". Mit diesem Namen wird sie von Medien aufgrund entsprechender Posts im Internet bezeichnet und so spricht sie auch der Richter an.

"Ich glaube, dass sie Ausländerin sind", sagt er zu der aufmerksam zuhörenden Frau, die schließlich in fließendem Englisch ihre Sicht der Dinge schildert. Während sie von ihrer Trauer um die gefällten Bäume, die "417 langen Tage" im Gefängnis und von dem Moment erzählt, als sie von zwei SEK-Beamten vom Baum geholt wurde, ist das Rufen, Singen und Trommeln von rund 50 Aktivisten vor dem Gebäude zu hören. Die Angeklagte berichtet, wie sie bei dem Einsatz von Polizisten festgehalten und geschlagen worden sei. In ihrer Angst habe sie sich instinktiv widersetzt, nun solle sie kriminalisiert werden.

Ihre Mandantin sei damals in einer gefährlichen Lage gewesen, die sie hätte abwehren dürfen, bekräftigt später eine ihrer beiden Rechtsanwältinnen. Die Polizisten seien dagegen am Baum gesichert gewesen; sie wirft diesen vor, eine "Körperverletzung im Amt" an der Aktivistin begangen zu haben.

© dpa-infocom, dpa:220117-99-739761/5

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