Urteil:Zwei Haftstrafen im Staatskanzlei-Verfahren

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Mikrofone und Kopfhörer auf einem Tisch in einem Gerichtssaal. (Foto: Jonas Walzberg/dpa/Symbolbild)

Vor fast drei Jahren sind zahlreiche junge Menschen im Hirschgarten in Erfurt überfallen worden. Ein Teil der Täter gilt als rechtsextrem. Ein politisches Motiv erkennt das Gericht im sogenannten Staatskanzlei-Verfahren aber nicht.

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Erfurt (dpa/th) - Im Prozess wegen des Überfalls auf eine Gruppe überwiegend junger Menschen im Sommer 2020 vor der Thüringer Staatskanzlei hat das Landgericht Erfurt zwei Haftstrafen verhängt. Zwei der fünf angeklagten Männer sollen nach dem Urteil zweieinhalb Jahre beziehungsweise zwei Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Für die drei übrigen Angeklagten sprach das Gericht Freiheitsstrafen zwischen 12 und 16 Monaten aus, die aber zur Bewährung ausgesetzt werden sollen. Ein politisches Motiv der teilweise rechtsextremen Täter sah das Gericht nicht.

Alle Angeklagten hätten sich unter anderem verschiedener Körperverletzungen schuldig gemacht, sagte der Vorsitzende Richter am Donnerstag bei der Urteilsverkündung. Die Opfer hätten an diesem Abend „einen Alptraum“ erlebt, „den überhaupt niemand erleben möchte“. Der Überfall hatte sich im sogenannten Hirschgarten ereignet, der unmittelbar vor der Thüringer Staatskanzlei in der Landeshauptstadt liegt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass alle fünf Angeklagten an dem Überfall beteiligt waren und dabei auf zahlreiche Menschen einschlugen, darunter auch mindestens einen Zivilpolizisten. Er könne nur „in dürren Worten“ beschreiben, was die Opfer in diesen Minuten erlebt hätten, sagte der Richter. „Es sind gravierende Verletzungen hervorgerufen worden.“ Die Betroffenen hätten schwerwiegende körperliche und seelische Verletzungen davongetragen. Mehrere seien noch immer traumatisiert von den Ereignissen dieser Nacht.

Einen politischen Hintergrund des Übergriffs sieht das Gericht nicht. “Wir können das im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellen“, sagte der Vorsitzende Richter. Zwar sei es aus Sicht der Opfer nachvollziehbar, dass sie die Tat so einstuften. Es gebe aber keine belastbaren Anhaltspunkte für diese These, auch wenn ein Teil der Angeklagten der rechtsextremen Szene zuzuordnen sei. Vielmehr sei die Tat eher von „Lust am Krawall, an der Schlägerei“ ausgelöst worden. Wer unschuldige Menschen völlig wahllos angreife, der habe eine „zutiefst menschenverachtende Grundhaltung“.

Die Staatsanwaltschaft hatte für die Angeklagten Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr und zehn Monaten beziehungsweise drei Jahren und sechs Monaten gefordert. Freiheitsstrafen von mehr als zwei Jahren können nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Alle Verteidiger hatten Bewährungsstrafen für ihre Mandanten gefordert.

Anders als von der Staatsanwaltschaft gefordert, wurden die Angeklagten nicht wegen Landfriedensbruch verurteilt. Dafür seien die rechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben, entschied das Gericht.

Die Linke-Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss begrüßte das Urteil des Gerichts einerseits. „Dass es in diesem Fall zu Haftstrafen kam, ist ein gutes Zeichen - vor allem, weil es in Thüringen bei Verfahren gegen die extreme Rechte bisher eher selten passiert ist“, sagte sie. Andererseits sei für sie weiterhin klar, „dass dieser Angriff politisch motiviert war und eine politische Botschaft aussenden sollte“.

Eine Sprecherin der Opferschutzorganisation ezra sagte, es sei zwar positiv, dass das Gericht die Perspektive der Opfer eingenommen habe. „Für uns ist allerdings skandalös, dass das rechtsextreme Tatmotiv nicht gesehen wird.“

© dpa-infocom, dpa:230330-99-151040/3

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