Prozesse:China schickt uigurischen Regimekritiker lebenslang in Haft

Ürümqi (dpa) - In einem ungewöhnlich harten Urteil ist in China der uigurische Bürgerrechtler Ilham Tohti zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Gericht in der Regionshauptstadt Ürümqi warf dem renommierten Pekinger Wirtschaftsprofessor in seinem Urteil vor, "separatistische Gedanken" verbreitet zu haben.

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Ürümqi (dpa) - In einem ungewöhnlich harten Urteil ist in China der uigurische Bürgerrechtler Ilham Tohti zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Gericht in der Regionshauptstadt Ürümqi warf dem renommierten Pekinger Wirtschaftsprofessor in seinem Urteil vor, "separatistische Gedanken" verbreitet zu haben.

Das berichtete sein Anwalt Li Fangping der Nachrichtenagentur dpa. Der 44-jährige Ökonomen gilt als gemäßigte Stimme des muslimischen Turkvolkes im Nordwesten Chinas, das Unterdrückung durch die herrschenden Chinesen beklagt.

Das Urteil stieß auf scharfe Kritik von Menschenrechtsgruppen und Exil-Uiguren. Die Europäische Union verurteilte die Strafe als "völlig ungerechtfertigt".

Der Menschenrechtsaktivist habe die Politik der Regierung gegenüber Minderheiten, Religion sowie die Wirtschafts- und Familienplanung "angegriffen", zitierte Tohtis Anwalt aus dem Urteil. Auch habe er die Ursachen von Unruhen "verdreht" und damit "ethnischen Hass" entzündet. Über seine Webseite habe Tohti andere Uiguren ermutigt, "zu Gewalt zu greifen", berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Er habe heimlich eine "Separatisten-Gruppe" geformt.

"Ich weise das entschieden zurück", rief der 44-Jährige nach der Urteilsverkündung empört, als ihn Polizisten aus dem Saal des Gerichts brachten. "Das kann man nicht hinnehmen", sagte sein Anwalt. "Wir werden auf jeden Fall Berufung gegen das Urteil einlegen." Tohti sei unschuldig, beteuerte Li Fangping: "Was er getan hat, liegt völlig im Rahmen der freien Meinungsäußerung."

Die Europäische Union übte scharfe Kritik an dem Verfahren, in dem die Rechtsstaatlichkeit nicht gewahrt worden sei. Ein EU-Sprecher in Peking forderte die "sofortige und bedingungslose Freilassung" von Tohti und seinen Unterstützern. China solle außerdem die Rechte aller Minderheiten und die Freiheit der Meinungsäußerung respektieren.

Das Urteil stieß auch in Deutschland auf Kritik. Die Bundesregierung müsse als Reaktion den Menschenrechtsdialog mit China aussetzen, forderte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen. "Dies ist ein schwarzer Tag für alle Bemühungen um mehr Rechtsstaatlichkeit in der Volksrepublik", sagte Asien-Experte Ulrich Delius. "Die Bundesregierung muss nun ein deutliches Zeichen setzen." Das "Unrechtsurteil" werde die Spannungen zwischen Uiguren und Chinesen noch weiter anheizen, warnte Delius wie andere Experten.

Das harte Urteil reiht sich in die Kampagne gegen Terrorismus und Separatismus ein, die Chinas Führung nach einer Serie von Anschlägen und blutigen Zwischenfällen in Xinjiang ausgerufen hat. "Es ist ein schändliches Urteil, das keine Grundlage in der Wirklichkeit hat", sagte William Nee von Amnesty International. "Tohti hat friedlich daran gearbeitet, Brücken zwischen den ethnischen Gruppen zu bauen, und wurde dafür mit politisch motivierten Vorwürfen bestraft."

Der Bürgerrechtler kritisierte zwar die Pekinger Regierung für ihren Umgang mit seinem turkstämmigen Volk, beschrieb sich aber selbst immer als chinesischen Patrioten, der sein Heimatland liebe. Er war im Januar in seiner Heimatstadt Peking festgenommen worden, wurde aber im fernen Ürümqi vor Gericht gestellt. Mit Studenten hatte Tohti eine Webseite für die muslimische Minderheit geschaffen. Sieben von ihnen wurden unter ähnlichen Separatismusvorwürfen festgenommen.

Auch die Menschenrechtsgruppe Chinese Human Rights Defenders (CHRD) verurteilte die "Verfolgung" von Tohti, der nur sein Recht auf freie Meinungsäußerung ausgeübt habe. "Das Gericht hat keine Beweise, um die Separatismus-Anklage zu unterstützen", sagte Renee Xia von CHRD. "Der Prozess war ungerecht." Die Regierung versuche, ihm die Schuld für die jüngsten Gewaltakte in die Schuhe zu schieben und die Aufmerksamkeit von ihrem eigenen politischen Versagen abzulenken, das zu wachsenden Spannungen beigetragen habe.

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