Prozesse - Berlin:Nach tödlicher Fluchtfahrt: Lebenslange Haftstrafe

Berlin (dpa/bb) - Das Berliner Landgericht hat einen Raser wegen Mordes an einer Studentin zu lebenslanger Haft verurteilt. Der heute 28-Jährige habe bei seiner Fluchtfahrt vor der Polizei den Tod der unbeteiligten jungen Frau billigend in Kauf genommen, hieß es im Urteil am Donnerstag. Der Angeklagte sei nach einem Diebstahl vor der Polizei geflüchtet, um nicht erkannt zu werden.

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Berlin (dpa/bb) - Das Berliner Landgericht hat einen Raser wegen Mordes an einer Studentin zu lebenslanger Haft verurteilt. Der heute 28-Jährige habe bei seiner Fluchtfahrt vor der Polizei den Tod der unbeteiligten jungen Frau billigend in Kauf genommen, hieß es im Urteil am Donnerstag. Der Angeklagte sei nach einem Diebstahl vor der Polizei geflüchtet, um nicht erkannt zu werden.

Der Angeklagte wirkte wie benommen, als das Urteil verkündet wurde. Er verfolgte die Worte des Vorsitzenden Richters Peter Schuster mit gesenktem Kopf. Die Familie der Getöteten saß ihm gegenüber - Mutter, Vater, Schwester und Bruder. Sie hörten konzentriert und gefasst zu.

Die Mutter sagte später, eine lebenslange Strafe sei angemessen. "Wir können jetzt sacken lassen." Linken-Politiker und Rechtsanwalt Gregor Gysi, der die Familie vertritt, erklärte: "Es ist ein gutes und richtiges Urteil." Die Gewerkschaft der Polizei hoffte laut einer Mitteilung, dass der Schuldspruch Signalwirkung habe.

Die Studentin wollte - ihr Fahrrad schiebend - am Abend des 6. Juni 2018 bei Grün eine Straße in der City-West überqueren. Mit mehr als 80 Stundenkilometern bretterte der Angeklagte laut Ermittlungen in die Tempo-30-Zone. Er überfuhr eine rote Ampel, kollidierte mit zwei Autos und erfasste mit seinem Wagen die Studentin. Sie wurde durch die Luft geschleudert und starb beim Aufprall.

Der Angeklagte habe bei dem Tempo nicht darauf vertrauen können, dass nichts passiere, so Richter Schuster. Der Fahrer habe einen "unbändigen Willen" gezeigt, um zu entkommen. Ein 18-jähriger Beifahrer des Angeklagten starb wenig später. Zudem wurden ein Polizist und zwei Autofahrerinnen bei der wilden Fluchtfahrt verletzt.

Der aus Serbien stammende Angeklagte sowie zwei Bekannte hatten zuvor Werkzeugkoffer aus einem Kleintransporter gestohlen. Zivilfahrzeuge der Polizei verfolgten die Diebe ohne Blaulicht und Sondersignal. Kurz vor dem Unfall hatte der 28-Jährige bereits eine Polizeiblockade durchbrochen und Gas gegeben. Der Angeklagte hatte im Prozess das Geschehen bedauert. Den Polizisten sei kein subjektiver Vorwurf zu machen, hieß es im Urteil. Es sollte aber überlegt werden, was bei solchen Einsätzen anders zu machen sei.

Das Urteil wurde mit Spannung erwartet - war doch die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer vom selbst angeklagten Mordvorwurf abgerückt. Gefordert wurde dann noch eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung, was eine wesentlich mildere Strafe bedeutet hätte. Das Gericht entsprach nun aber der Forderung der Familie der Getöteten. Die Verteidigung kündigte bereits Revision an.

Richter Schuster begründete das Mordurteil mit Heimtücke, Verdeckungsabsicht und gemeingefährlichen Mitteln. Hinzu kamen der Mord an dem Beifahrer, versuchter Mord in drei Fällen sowie ein verbotenes Autorennen.

Trotz des Urteils sehen die Hinterbliebenen keine Gerechtigkeit. "Mit dem Tod von Hanni hat sich unser Leben komplett verändert", hatte die Mutter schon zuvor gesagt. Es sei ein Alptraum, der nicht ende. "Wir haben lebenslang Hanni nicht - bis an unser Lebensende."

Gysi als Anwalt der Familie sagte im Prozess über die getötete 22-Jährige: "Sie hat sich für alle Benachteiligten egal welcher Nationalität eingesetzt." Die junge Frau studierte Soziale Arbeit, betreute Flüchtlinge und setzte sich für Waisenkinder in Afrika ein.

Der Verurteilte hat keine Vorstrafen. Er wollte nach seinen Angaben nur einen Zwischenstopp bei Verwandten in Berlin machen. Er sei aus seiner Heimat angereist, um die Hochzeit seiner Schwester in Köln mitzuerleben.

Erst im März hatte das Landgericht in der Hauptstadt zwei Raser wegen Mordes erneut zu lebenslanger Haft verurteilt. Das erste Urteil hatte der Bundesgerichtshof zuvor aufgehoben. Die Männer hatten bei einem illegalen Rennen auf dem Ku'damm den Jeep eines unbeteiligten Rentners gerammt. Der 69-jährige Arzt im Ruhestand starb.

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