Prozesse - Berlin:Haft für Islamisten: Anschlag in Berlin geplant

Berlin
"Gesundbrunnen Center" steht vor dem Einkaufszentrum in Gesundbrunnen. Foto: Paul Zinken/dpa/Archiv (Foto: dpa)

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Berlin (dpa) - Fünf Jahre und vier Monate Haft: So lautet das Urteil des Kammergerichts in der Hauptstadt gegen einen 32-jährigen Islamisten wegen der Planung eines Terroranschlags in Berlin. Der Mann mit radikal-islamistischer Gesinnung sei der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat schuldig, hieß es am Freitag im Urteil.

Magomed-Ali C. sei zwar nicht die treibende Kraft gewesen, habe aber einen Anschlag befürwortet und Sprengstoff in seiner Berliner Wohnung gelagert, sagte der Vorsitzende Richter Detlev Schmidt. Bei einem Anschlag sollten möglichst viele Menschen getötet werden, um mit einem Klima der Angst die innere Sicherheit Deutschlands zu beeinträchtigen.

Als mögliches Anschlagsziel sei das "Gesundbrunnen-Center" in den Blick genommen worden. Zu einem Anschlag kam es nicht. Die Planungen wurden laut Urteil aus Angst vor Entdeckung Ende Oktober 2016 abgebrochen. Zuvor hatte die Polizei an der Berliner Wohnungstür des Mannes mit russischer Staatsbürgerschaft geklingelt, der bereits als "Gefährder" galt. Der abgelehnte Asylbewerber, nach seinen Angaben zur Person gelernter Schuhmacher, hatte ein befristetes Bleiberecht.

Das Gericht blieb mit der Haftstrafe unter den Forderungen der Bundesanwaltschaft, die sechs Jahre und zehn Monate gefordert hatte. Die Einbindung von Magomed-Ali C. sei geringer gewesen als von der Anklage gesehen, so der Richter. Er sprach von einer schwierigen Beweisfindung. Das Bundesamt für Verfassungsschutz habe sich auf eine Sperrerklärung bezogen, nannte er ein Beispiel.

Der Prozess stützte sich im Wesentlichen auf ein abgehörtes Telefongespräch des später in Frankreich inhaftierten Islamisten Clement B. mit seinem Vater. Im Berliner Prozess sollte der Islamist per Videoschalte befragt werden, verweigerte aber die Aussage. Auch der Angeklagte äußerte sich in 38 Verhandlungstagen nicht.

Clement B. sei fest entschlossen gewesen, einen Anschlag zu verüben, hieß es im Urteil. Magomed-Ali C. habe das gewusst und den hochexplosiven Sprengstoff TATP gelagert. "Das ist Täterschaft" - obwohl der Angeklagte den Anschlag nicht habe selbst ausführen wollen.

Bei der Festnahme von Magomed-Ali C. im August 2018 wurde kein Sprengstoff gefunden. Jedoch stellte sich im Prozess heraus, dass es in Sachsen einen Sprengstofftest von Clement B. gab.

Magomed-Ali C. - 2011 aus Dagestan nach Deutschland gekommen - war laut Urteil oft in der inzwischen verbotenen Berliner Fussilet-Moschee, wo er seine radikal-islamistische Gesinnung geschärft habe. Dort verkehrte auch Anis Amri, der spätere Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz.

Amri und Clement B. hatten laut Urteil in Berlin enge Verbindungen. Auch Magomed-Ali C. habe Amri gekannt, direkte Kontakte zwischen ihnen seien aber nicht festgestellt worden. "Das war aber kein echtes Dreigestirn", so der Richter.

Clément B. war im April 2017 in Marseille wegen Anschlagsplanungen festgenommen worden. Er hatte laut Bundesanwaltschaft enge Kontakte zu einer belgischen, in Verviers ansässigen Terrorzelle, die 2015 zwei Anschläge in Paris sowie einen 2016 in Brüssel verübte. In der radikal-islamistischen Szene in Verviers lernten sich Clément B. und Magomed-Ali C. demnach kennen.

Amri hatte am 19. Dezember 2016 einen Lastwagen in den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche gesteuert. Elf Menschen starben, Dutzende wurden verletzt. Außerdem tötete Amri den Lastwagenfahrer. Der Tunesier selbst wurde auf der Flucht in Italien erschossen.

Die Verteidigung zeigte sich nach dem Urteil "fassungslos". Anwalt Kerem Türker sagte der dpa: "Das ist ein Fehlurteil. "Er ist für etwas verurteilt worden, was er nicht getan hat." Er empfehle dem Verurteilten die Revision.

Martina Renner, Obfrau der Linken im Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Breitscheidplatz, sagte, der Ausschuss werde jetzt versuchen zu klären, inwieweit Amri in die Terrorpläne eingebunden war. "Es ist unwahrscheinlich, dass keine Bundesbehörde davon Kenntnis erlangt haben will." Alle, den Bundesbehörden vorliegenden Unterlagen müssten jetzt umgehend zur Verfügung gestellt werden.

Die Grünen-Obfrau im Ausschuss, Irene Mihalic, sagte, es gebe Einvernehmen in dem Gremium, dass C. dort als Zeuge vernommen werden solle. Es habe neben Amri und C. 2016 weitere Islamisten gegeben, die häufiger in der Fussilet-Moschee waren. Gebraucht würden auch Observationsvideos und Einsatzberichte zu C. Die Frage sei, ob es weitere Anhaltspunkte gibt, dass C. sich mit Amri und weiteren nahen Kontaktpersonen austauschte.

Nach Ansicht von Benjamin Strasser, FDP-Obmann in dem Ausschuss, zeigt das Urteil, dass die Anschlagsplanungen erschreckend real gewesen sein müssen. Zu dieser Zeit habe Amri bei den Sicherheitsbehörden nur noch als kleinkrimineller Drogendealer gegolten, dessen Überwachung eingestellt wurde.

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