Prozesse - Berlin:Berlin entschuldigt sich für Razzia im Bordell

Prozesse - Berlin: Mikrofone und Kopfhörer auf einem Tisch in einem Gerichtssaal. Foto: Jonas Walzberg/dpa/Symbolbild
Mikrofone und Kopfhörer auf einem Tisch in einem Gerichtssaal. Foto: Jonas Walzberg/dpa/Symbolbild (Foto: dpa)

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Berlin (dpa/bb) - Sieben Jahre nach einer Razzia im Großbordell "Artemis" hat sich Berlin bei den Betreibern entschuldigt und zahlt 250.000 Euro Entschädigung. "Das Land Berlin entschuldigt sich für die Untersuchungshaft und die erheblichen Nachteile, die die damals Beschuldigten durch die Durchsuchung, die Untersuchungshaft, die Anklageerhebung und die Äußerungen der Staatsanwaltschaft erlitten haben", heißt es in einer Mitteilung der Senatsjustizverwaltung vom Freitag. Vor dem Kammergericht sei ein Vergleich geschlossen worden, mit dem der komplette Rechtsstreit abgeschlossen sei. Zunächst hatte die "B.Z." berichtet.

Hintergrund: Hunderte Polizisten, Zollfahnder und Staatsanwälte hatten am 14. April 2016 das Bordell durchsucht. Mehrere Verdächtige waren damals festgenommen worden. Danach hatte die Staatsanwaltschaft unter anderem von Verbindungen zur organisierten Kriminalität gesprochen. Doch die Vorwürfe fielen in sich zusammen. Ende 2018 ließ das Berliner Landgericht die Anklage der Staatsanwaltschaft nicht zu.

Die zwei Betreiber des Bordells zogen daraufhin vor Gericht - mit Erfolg. Das Kammergericht Berlin verurteilte das Land im vergangenen Dezember zur Zahlung von 100.000 Euro Schadenersatz. Dabei ging es um Äußerungen der Staatsanwaltschaft bei einer Pressekonferenz im April 2016, die zum Teil "schuldhaft amtspflichtwidrig" und vorverurteilend, überzogen und reißerisch formuliert gewesen seien, begründete das Gericht. Zuvor war ein Vergleich geplatzt.

Unter Leitung von Linke-Senatorin Lena Kreck sollte das Urteil jedoch angefochten werden. Die Justizverwaltung verwies auf die Entscheidung des Landgerichts Berlin in erster Instanz, das keine Amtspflichtverletzung erkannt und die Klage abgewiesen hatte. Parallel dazu lief ein weiterer Prozess: Die Bordellbetreiber klagten auf Entschädigung für die Zeit in der Untersuchungshaft.

Dem Land Berlin drohte laut "Tagesspiegel" eine neue Niederlage vor dem Kammergericht. Die Justizverwaltung lenkte ein und es kam am vergangenen Dienstag zu einem Vergleich. "Der Vorgang ist damit insgesamt abgeschlossen", teilte ein Sprecher mit.

Die Anwälte der Betreiber sprachen von einem Paradigmenwechsel nach dem Wechsel an der Spitze des Justizressort, das nun von Felor Badenberg (parteilos) geführt wird. "Sieben Jahre nach diesem beispiellosen Rechtsbruch zeigt das Land Berlin endlich die Bereitschaft, sich unmissverständlich von den schweren Amtspflichtverletzungen zu distanzieren", erklärte Rechtsanwältin Margarete Gräfin von Galen. Ihr Kollege Silvin Bruns bezeichnete es als anerkennenswert, dass sich "nach dem Regierungswechsel die neue Hausleitung den Tatsachen gestellt" habe.

Die Betreiber wollen die ihnen zugesprochene Entschädigung von insgesamt mehr als 100.000 Euro für karitative Zwecke spenden, wie ein Sprecher mitteilte. Zudem sollten die Mitarbeiterinnen als Entschädigung für die erlittene Untersuchungshaft Geld erhalten.

© dpa-infocom, dpa:230609-99-00005/3

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