Prozesse - Berlin:Einspruch gescheitert: Wohnprojekt "Liebig 34" wird geräumt

Berlin
Auf der Richterbank liegt ein Richterhammer aus Holz. Foto: picture alliance / Uli Deck/dpa/Symbolbild (Foto: dpa)

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Berlin (dpa/bb) - Der jahrelange Streit um das autonome Wohnprojekt "Liebig 34" in Berlin-Friedrichshain geht trotz eines neuen Urteils voraussichtlich weiter. Am Mittwoch ordnete eine Zivilkammer des Landgerichts wiederum die Räumung und Herausgabe des Gebäudes und Grundstücks Liebigstraße 34/Ecke Rigaer Straße 97 an. Das Versäumnisurteil von Anfang Juni werde aufrechterhalten, urteilte das Gericht. Damit wurde der Einspruch des Bewohner-Vereins abgewiesen. Vereins-Anwalt Moritz Heusinger kündigte umgehend an, er werde dem Verein die Berufung zum Kammergericht empfehlen.

Das Urteil ist dem Landgericht zufolge aber vollstreckbar. Der Verpächter hat demnach auch Anspruch auf Zahlung von rund 20 000 Euro für Kosten von Verwaltung, Unterhalt und Bewirtschaftung.

Das Haus gilt als eines der letzten Symbole der linksradikalen Szene in der Stadt. 2018 endete in der "Liebig 34" nach zehn Jahren ein Gewerbemietvertrag, den der Verein mit dem Hausbesitzer abgeschlossen hatte. Dieser hatte den Bewohnerinnen gekündigt. Weil sie nicht ausziehen wollen, klagte er gegen den Verein, der sich selbst als "anarcha-queer-feministisches Hausprojekt Liebig 34" bezeichnet.

Das Gericht vertritt in seinem neuen Urteil die Ansicht, dass - im Gegensatz zur Auffassung des Vereins - kein Wohnraum-Mietrecht anzuwenden sei. Der Pachtvertrag sei wirksam befristet gewesen und ausgelaufen. Ein Mietverhältnis für Wohnraum habe es nicht gegeben. Eine gütliche Einigung lehnten beide Seiten ab.

Das Versäumnisurteil am 3. Juni war nicht begründet worden. Da der Anwalt des Bewohner-Vereins die Verhandlung im Januar verlassen und im Zuschauerraum Platz genommen hatte, habe er nicht verhandelt und sei damit säumig. Dann sei das Gericht den Argumenten des Klägers gefolgt, da sie schlüssig seien, hieß es damals.

Die oppositionelle FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus teilte mit, das Urteil sei ein deutliches Signal, dass der Rechtsstaat nicht vor Linksextremisten in die Knie gehe. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass Berlin zu einem rechtsfreien Raum werde. Es gebe auch keinen Platz für Angriffe und Einschüchterungsversuche gegenüber Richtern und Anwälten.

Im Januar hatten mutmaßlich Linksextremisten einen Anschlag mit stinkender Buttersäure auf das Auto eines Rechtsanwalts des Hausbesitzers verübt. Ein Anwalt des Verpächters sagte am Mittwoch, die Gefährdungslage habe sich nicht entspannt. Nähere Angaben wurden nicht gemacht.

Immer wieder gab es Proteste für den Erhalt des Wohnprojekts, bei denen es teilweise zu Gewalt kam und die Polizei einschritt. Es wurden Ermittlungen wegen Beleidigung und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet. Im Februar 2011 war das Eckhaus direkt gegenüber, Liebigstraße 14, mit 2500 Polizisten trotz Blockaden und Barrikaden geräumt worden.

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