Süddeutsche Zeitung

Prozess wegen Zuhältermord:Verliebt, verlobt, Verhängnis

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Ein NDR-Moderator verliebt sich in einen Callboy, der seinen Zuhälter auf dem Gewissen hat. Nun soll bald das Urteil in dem Mordprozess gegen den jungen Litauer und seinen Mittäter fallen. Aber offenbar nützt ihm auch sein prominenter Verbündeter Frank Breuner nichts.

Leonard Goebel

So hatte er sich das nicht vorgestellt. Zu jedem Gerichtstermin war Frank Breuner erschienen, um seinem Verlobten beizustehen, hatte ihn außerdem alle zwei Wochen in der Jugendstrafanstalt besucht. Sogar den Bundespräsidenten bat der 41-Jährige um Hilfe für den 19-jährigen Jokubas S., der seit dieser Woche gemeinsam mit dem 20-jährigen Sergejus A. vor dem Berliner Landgericht steht, weil sie ihren Zuhälter getötet haben.

Er wolle Jokubas seelisch unterstützen, hatte Breuner vor Prozessbeginn gesagt. Doch der Einsatz des NDR- Fernsehmoderators ("Mecklenburg Vorpommern - Land und Leute") ruft auch negative Reaktionen hervor. Erst nachdem Breuner mit dem Fall in den Medien aufgetaucht sei, habe Jokubas Probleme in der Untersuchungshaft bekommen, sagte ein Sozialarbeiter aus der Jugendhaftanstalt vor Gericht. Und der Richter ergänzte: "Es ist ganz gut, dass das einmal gesagt wurde."

Die Geschichte der beiden jungen Männer auf der Anklagebank wäre ein trauriges Sozialdrama, vermutlich kaum beachtet von der Öffentlichkeit, wäre da nicht Frank Breuner. Der Moderator hat sich mit Jokubas, den er nur drei Stunden in Freiheit gesehen hat und der nun wegen Mordes vor Gericht steht, bereits verlobt. Die zwei Litauer, die in Deutschland als Callboys gearbeitet hatten, haben zugegeben, ihren Zuhälter im November gefesselt, erstickt und später ausgeraubt zu haben. Es sei der einzige Ausweg gewesen, dem Tyrannen zu entkommen, so Jokubas.

Der Zuhälter lockte junge Männer nach Deutschland

Das Opfer, der 37-Jährige Renaldas D., der ebenfalls aus Litauen stammte, lebte seit den neunziger Jahren in Berlin und hatte offenbar schon seit Längerem homosexuelle junge Männer aus seinem Heimatland nach Deutschland gelockt, wo er sie an Interessenten vermittelte. Auch an Breuner. Nach einer persönlichen Krise habe er Ende Oktober über eine Schwulen-Plattform im Netz einen Escort gebucht, schilderte Breuner vor Gericht. Nachts seien dann ein verunsichert wirkender Jokubas und sein Zuhälter erschienen.

Breuner bezahlte 300 Euro für drei Stunden, Sex habe er unter diesen Umständen aber nicht gewollt. Stattdessen setzte er sich mit Jokubas, den Breuner John nennt, aufs Sofa und redete: "John hat mir erzählt, dass er Singer-Songwriter werden und bald nach New York fliegen will." Außerdem habe er ihm gesagt, dass er den Job im Escort-Milieu hasse und sein Zuhälter eifersüchtig auf die Freier sei. Breuner und der mehr als 20 Jahre jüngere Litauer küssten sich noch an dem Abend und hielten anschließend übers Internet Kontakt. "John hat mir Gedichte geschickt und mir über Skype Songs vorgespielt." Zu einem erneuten Treffen kam es allerdings erst, als Jokubas bereits in Untersuchungshaft war.

Denn nur wenige Tage nach dem Treffen mit Breuner töteten Jokubas und Sergejus ihren Zuhälter, mit dem sie in einer Ein-Zimmer-Wohnung lebten und sogar im gleichen Doppelbett schliefen. Er habe sie tyrannisiert, regelmäßige sexuelle Befriedigung von ihnen verlangt und ihnen Pässe und Wohnungsschlüssel abgenommen, sagten die beiden Angeklagten aus.

Als ihr Zuhälter in der Nacht zum 2. November offenbar alkoholisiert auf dem Bett lag, fesselten die jungen Männer seine Beine mit einer Schnur, umwickelten ihn mit Klebeband und setzten sich auf ihn. Jokubas hielt nach eigener Aussage die Beine des Opfers ruhig, Sergejus drückte ihm etwa zehn Minuten lang ein Kissen ins Gesicht. Danach nahmen sie alles mit, was in der Wohnung zu finden war - Computer, Handys, Kameras, Bargeld. Anschließend reisten sie zurück in ihre Heimat, von wo aus Jokubas nach New York flog.

Breuner, der nach wie vor mit Jokubas in Kontakt war, erfuhr von der Polizei, was passiert war. "Ich habe schon zu diesem Zeitpunkt etwas für John empfunden." Als dem Litauer in New York das Geld ausging und sein Traum vom Singer-Songwriter-Dasein vorerst geplatzt war, bot ihm Breuner an, einen Flug zurück nach Berlin zu bezahlen - ohne ihm zu erzählen, dass dort die Polizei auf ihn wartete, wie der Moderator aussagte. "Ich vertraute der deutschen Justiz und wollte in der Lage sein, ihm bei einer Verhandlung in Deutschland beizustehen", so Breuner.

Doch sein Vertrauen in die Justiz ist verflogen. Von der Festnahme von Jokubas und Sergejus, der in Litauen gefasst und an die deutsche Justiz überstellt wurde, bis zum Prozessbeginn vergingen mehr als sechs Monate, die normale Maximaldauer einer Untersuchungshaft. Ein Skandal in Breuners Augen. Zumal beide Angeklagten ausgesagt haben, in der Jugendstrafanstalt verprügelt worden zu sein. Breuner ersuchte Berliner Politiker um Hilfe - bis hin zum Bundespräsidenten. Doch auch seine Bekanntheit half nicht. Am 20. August soll das Urteil gefällt werden.

Fall erinnert an die Zwangsprostitution europäischer Frauen

Wie hoch die Strafe ausfallen wird, hängt insbesondere davon ab, ob das Gericht der Argumentation der Verteidigung folgt, wonach die Angeklagten von ihrem Zuhälter in Verhältnissen gehalten worden seien, "die stark an die Zwangsprostitution osteuropäischer Frauen erinnern", wie es der Anwalt von Jokubas, Mirko Röder, bezeichnet hat. Dem widerspricht allerdings die Beobachtung eines Zeugen, der mehrmals mit den Angeklagten ausgegangen war und aussagte, dass beide ihre Pässe immer dabei gehabt hätten. Zudem hätten sie auch alleine ins Internetcafé gehen können. Handyvideos der Angeklagten aus der Tatnacht zeigen zudem deutlich, welche Verachtung Täter und Opfer am Ende füreinander empfanden.

Wichtig ist auch die Frage, ob die Angeklagten geplant hatten, ihren Zuhälter auszurauben, oder ob sie sich erst nach dessen Tod dazu entschlossen. Im ersten Fall könnten sie wegen Raubmordes verurteilt werden. Rechtsanwalt Röder will hingegen auf Totschlag und Diebstahl plädieren, was eine deutlich geringere Strafe bedeuten würde. In jedem Fall wird es wohl eine Jugendstrafe sein.

Und Breuner? Unabhängig vom Urteil des Gerichts darf er seinen Job als Moderator behalten, das hat der NDR bereits mitgeteilt. Und auch seinen Partner möchte er behalten - obwohl er deshalb inzwischen im Internet von Rechtsextremen bedroht werde. "Ich habe eine Verantwortung für ihn übernommen, zu der ich auch nach einer Haft stehen werde." Auch sein Verlobter sagte, dass er eine Zukunft mit Breuner plane. Wann die beginnen kann, liegt aber nicht mehr in den Händen der beiden.

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Quelle:
SZ vom 11.08.2012
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