Prozess um Brechmittel-Einsatz:Polizeiarzt erneut freigesprochen

Zweiter Freispruch im zweiten Anlauf: Mit Brechsirup wollte er einen mutmaßlichen Drogendealer zwingen, verschluckte Kokainpäckchen zu erbrechen. Der Mann fiel ins Koma und starb. Nun hat das Landgericht Bremen den Polizeiarzt erneut freigesprochen.

Diesmal blieb der Tumult im Gerichtssaal aus: Das Landgericht Bremen hat einen wegen eines tödlichen Brechmitteleinsatzes angeklagten Polizeiarzt freigesprochen. Es war der zweite Anlauf der Justiz, den Tod von Laya Condé strafrechtlich zu ahnden. Einen ersten Freispruch des Mediziners Igor V. hatte der Bundesgerichtshof wegen mangelnder Beweiswürdigung aufgehoben. Weil die Kammer auch im neu aufgerollten Verfahren die Todesursache des mutmaßlichen Dealers nicht zweifelsfrei klären konnte, entschied sie im Zweifel für den Angeklagten.

Brechmittel-Prozess wird neu verhandelt

Polizeiarzt Igor V. (links) ist erneut freigesprochen worden. Er hatte einem mutmaßlichen Drogendealer 2004 Brechsirup über eine Magensonde eingeflößt, weil dieser zuvor verschluckte Kokainpäckchen erbrechen sollte, der Mann starb.

(Foto: dpa)

Igor V. hatte den mutmaßlichen Drogendealer vor mehr als sechs Jahren Brechsirup und Wasser über eine Magensonde eingeflößt, weil dieser zuvor verschluckte Kokainpäckchen erbrechen sollte. Der 35-jährige Afrikaner hatte sich gegen den Würgereiz gewehrt, war ins Koma gefallen und einige Tage später gestorben.

"Die Kammer hat alles getan, um die Todesursache zu klären", sagte der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung. Das sei jedoch nicht eindeutig gelungen, auch wenn viel dafür spreche, dass das Opfer langsam ertrunken sei. "Sämtliche Gutachter mussten einräumen, dass es Ungereimtheiten gibt." So habe der 35-Jährige unter anderem nicht gehustet, obwohl dies ein unausweichlicher Reflex beim Verschlucken sei. "Wir werden Schläge für dieses Urteil einstecken", so der Richter.

Die Staatsanwaltschaft hatte in dem seit März vor dem Landgericht Bremen laufenden Verfahren neun Monate Haft auf Bewährung für den 47-jährigen Polizeiarzt wegen fahrlässiger Tötung und vorsätzlicher Körperverletzung gefordert. Der Angeklagte habe auch dann noch versucht, den Mann zum Erbrechen zu bringen, als dieser nicht mehr ansprechbar gewesen sei, hieß es. Zudem habe der Mediziner unverhältnismäßig gehandelt. Wie sich später herausstellte, hatte das Opfer fünf kleine Pakete mit Kokain verschluckt - im Wert von 100 Euro.

Die Nebenklage verlangte ebenfalls eine Verurteilung des Mediziners, ohne jedoch ein konkretes Strafmaß zu nennen. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Die Staatsanwaltschaft will nun genauso wie die Anwältin der Nebenklage prüfen, ob sie in Revision geht. Dann müsste sich der Bundesgerichtshof erneut damit befassen. Ob nun endgültig ein Schlussstrich unter die Bremer Affäre gezogen werden kann, ist also offen.

In einem ersten Prozess hatte das Landgericht den Arzt im Dezember 2008 freigesprochen. Die Richter hatten damals zur Begründung erklärt, V. habe zwar objektiv seine ärztlichen Pflichten verletzt, subjektiv sei ihm aber keine Schuld nachzuweisen, weil er "mangels klinischer Ausbildung und Erfahrung mit derartigen Einsätzen" überfordert gewesen sei. Der tödliche Verlauf sei dadurch schwer vorhersagbar gewesen, weil die kritische Situation sich "schleichend entwickelt" habe und eine "nicht bekannte Herzvorschädigung" bestanden habe.

Der Fall hatte auf Grund seiner Brutalität für viel Aufsehen gesorgt und auch hohe politische Wellen geschlagen. Nach dem Tod von Laya Condé geriet der Einsatz von Brechmittel in die Kritik. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ächtete die Ermittlungsmethode 2006 als "inhumane und erniedrigende Behandlung" und als einen Verstoß gegen die Menschenwürde. Unter anderem deshalb hatte der Bundesgerichtshof das erste Urteil aufgehoben.

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