Text auf Bootswand:Geschworene dürfen Botschaft des Boston-Attentäters begutachten

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Diese Wand in seinem Versteck in einem Boot soll Dschochar Zarnajew beschrieben haben. (Foto: dpa)
  • Der mutmaßliche Attentäter auf den Boston-Marathon, Dschochar Zarnajew, hat sich kurz vor seiner Ergreifung in einem Boot versteckt, dessen Wand er beschrieben haben soll.
  • Ermittler präsentierten die Botschaft aus dem Bootsversteck und Tweets, die auf einen von langer Hand geplanten Anschlag hindeuten sollen.
  • Die Verteidigung hingegen argumentiert, dass Dschochar Zarnajew von seinem Bruder Tamerlan manipuliert worden sei.

Ermittler präsentieren Nachricht aus Bootsversteck

Den Geschworenen im Prozess um einen der mutmaßlichen Attentäter auf den Boston-Marathon sind Fotos von Teilen des Bootes präsentiert worden, in denen sich der Angeklagte Dschochar Zarnajew kurz vor seiner Festnahme versteckt hielt. Das Bootsstück ist von mehreren Kugeln durchschlagen worden, Blutspuren sind zu sehen. Es gilt aber vor allem deshalb als wichtiges Beweisstück, weil Zarnajew offenbar auf einer Innenwand des Boots eine Nachricht hinterließ. Sie könnte Aufklärung über die Motive des Angeklagten liefern.

Eine Seite des Boots ist mit einem Stift beschrieben worden. Unterbrochen wird der Text stellenweise von Schusslöchern und Blut. Der Text soll von Dschochar Zarnajew stammen. Darin schreibt er beispielsweise: "Die US-Regierung tötet unschuldige Zivilisten, aber die meisten von euch wissen das schon. Ich kann es nicht ertragen, zu sehen, wie diese Bösartigkeit ungestraft bleibt. Wir Muslime sind ein Ganzes. Wenn du einen von uns verletzt, verletzt du uns alle."

Tweet sollen auf Anschlag hingedeutet haben

Ermittler des FBI präsentierten nach Angaben des Nachrichtensenders CNN außerdem einen Twitter-Account, der in Zusammenhang mit Zarnajew steht. Unter dem Twitter-Namen @J_tsar wurde am Tag des Boston-Marathons 2012 (also ein Jahr vor dem Marathon von 2013, bei dem der Bombenanschlag stattfand) folgende Nachricht versendet: "Sie werden ihr Geld ausgeben und sie werden es bereuen und dann werden sie besiegt werden."

Für die Ermittler ist dies ein Zeichen, dass der Angeklagte schon ein Jahr zuvor mit dem Gedanken spielte, einen Anschlag auf den Marathon zu verüben. Eine von Zarnajews Anwältinnen, Miriam Conrad, wandte allerdings ein, dass viele der Tweets offenbar Texte von Rap-Songs oder Referenzen an Popkultur seien.

Mitläufer oder Drahtzieher: Prozess soll Motive klären

Der heute 21 Jahre alte Dschochar Zarnajew muss sich seit Januar 2015 in Boston vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten unter anderem Mord und den Gebrauch von Massenvernichtungswaffen vor. Dass Zarnajew die Taten verübt hat, steht außer Frage, das hat die Verteidigung am ersten Verhandlungstat betont.

Im Prozess geht es allein darum, die Beweggründe des Attentäters zu klären. Was für eine Persönlichkeit ist Dschochar Zarnajew? Ist er ein mit besonderer Grausamkeit agierender Terrorist, der bereitwillig tötete und sich bereits lange vor der Tat radikalisierte? Das will die Staatsanwaltschaft beweisen. Oder wurde Dschochar Zarnajew von seinem dominanten großen Bruder Tamerlan manipuliert und mit islamistischen Parolen gefüttert? So argumentiert die Verteidigung.

Angeklagter im Prozess um Boston-Attentat
:Wer ist Dschochar Zarnajew?

Beliebter Kommilitone, eifriger Sportler, Terrorist: Dschochar Zarnajew ist angeklagt, weil er vier Menschen getötet und mehr als 260 verletzt hat. Wer ist der 21-Jährige, dem für den Anschlag auf den Boston-Marathon die Todesstrafe droht?

Von Felicitas Kock

Nach Erkenntnissen der Ermittler soll er vor knapp zwei Jahren zusammen mit seinem Bruder Tamerlan zwei Bomben gebastelt und sie im Zielbereich des Marathons gezündet haben. Die Sprengsätze bestanden aus mit Nägeln und Metallsplittern gefüllten Schnellkochtöpfen und waren in zwei Rucksäcken deponiert. Auf ihrer Flucht sollen die Brüder einen Polizisten erschossen und einen weiteren Beamten schwer verwundet haben. Tamerlan Zarnajew starb bei der Verfolgungsjagd.

Drei Menschen starben, mehr als 260 Personen wurden verletzt, als beim Marathonlauf in Boston am 15. April 2013 binnen weniger Sekunden zwei Sprengsätze explodierten. Es war der schwerste Bombenanschlag in den Vereinigten Staaten nach den Attentaten vom 11. September 2001.

© Süddeutsche.de/AFP/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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