Prozess um Billig-Silikon:Chef des Brustimplantate-Herstellers muss ins Gefängnis

Er verarbeitete billiges Industriesilikon, das nicht für medizinische Zwecke zugelassen war. Jetzt wurde der Hersteller des französischen Brustimplantate-Herstellers PIP deshalb zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt.

300.000 Frauen auf der ganzen Welt sind betroffen, 30.000 davon in Frankreich und etwa 5000 in Deutschland. Sie alle hatten sich Silikonkissen der Firma Poly Implant Prothèse (PIP) in die Brust implantieren lassen, in denen, wie sich später herausstellte, minderwertiges Silikon verarbeitet wurde.

Jetzt hat ein Gericht im südfranzösischen Marseille den PIP-Firmengründer Jean-Claude Mas wegen Betrugs und schwerer Täuschung zu vier Jahren verurteilt. Zusätzlich muss er 75.000 Euro Geldstrafe zahlen. Mit ihm angeklagt waren vier ehemalige leitende Mitarbeiter, sie erhielten ebenfalls Haftstrafen, die allerdings zum Teil zur Bewährung ausgesetzt wurden.

Der heute 74-jährige Firmenchef hatte mit seinem Unternehmen etwa zehn Jahre lang Brustimplantate aus billigem und nicht für Medizinprodukte zugelassenem Industriesilikon hergestellt. Ermittlern zufolge hatte PIP damit jährlich 1,2 Millionen Euro an Produktionskosten eingespart.

Der Skandal war erst 2010 aufgeflogen, nachdem sich Hinweise auf eine erhöhte Reißanfälligkeit der Produkte gehäuft hatten. Die Staatsanwaltschaft Marseille hatte einige Monate später Ermittlungen aufgenommen, eine Patientin war nach Komplikationen bei einem fehlerhaften Brustimplantat sogar gestorben. Behörden in Frankreich und Deutschland empfahlen daraufhin in einer beispiellosen Aktion ein vorsorgliches Herausoperieren der PIP-Brustimplantate.

Juristische Aufarbeitung wird sich noch hinziehen

7000 betroffene Frauen traten als Nebenklägerinnen auf. Mas hat vor Gericht stets bestritten, dass von den Implantaten seiner Firma eine Gesundheitsgefahr ausgehe. Er gab aber zu, mit nicht zugelassenen Inhaltsstoffen gearbeitet zu haben.

In dem Prozess ging es auch um eine Mitverantwortung des TÜV Rheinland, der die PIP-Implantate europaweit zertifiziert hatte. In einem Zivilprozess im Frühjahr hatte ein anderes Gericht eine Mitschuld des TÜV Rheinland an dem Skandal gesehen, weil das Unternehmen "Kontroll- und Aufsichtspflichten vernachlässigt" habe.

Mehr als 1600 an dem Prozess beteiligte Frauen und sechs Händler können deswegen in einem ersten Schritt je 3000 Euro Schadenersatz plus Gerichtskosten beantragen - insgesamt geht es um 5,6 Millionen Euro. Mit dem Urteil aus Marseille hat der TÜV jetzt allerdings einen Vorteil im Berufungsverfahren, denn die Richter haben anerkannt, dass PIP neben den Frauen auch den TÜV betrogen hat.

Experten erwarten, dass sich die juristische Aufarbeitung des Skandals auch nach dem Urteil an diesem Dienstag noch lange hinziehen könnte. So sind die Ermittlungen zu Straftatbeständen wie Körperverletzung und Insolvenzbetrug noch im Gange.

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