Süddeutsche Zeitung

Prozess:Terrorverdächtiger provoziert das Gericht

  • Halil D. wird verdächtigt, einen Anschlag auf ein Radrennen in Frankfurt geplant zu haben.
  • Zum Prozessauftakt gibt er sich widerwillig. Sein Anwalt fordert, den Fall dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

Von Susanne Höll, Frankfurt

Der Strafprozess gegen den mutmaßlichen Bombenbauer aus Oberursel, der im April vergangenen Jahres verhaftet und der Vorbereitung eines islamistisch motivierten Anschlags beschuldigt wird, beginnt mit einer kleinen Machtprobe. Der Angeklagte, der 36 Jahre alte Halil D., weigerte sich, beim Eintreffen der Richter von seinem Platz aufzustehen. Richterin Clementine Englert fordert ihn mehrmals auf, die Würde des Gerichts zu respektieren. Halil D., deutscher Staatsbürger, verheiratet, Vater zweier Kinder, ein kräftiger Mann in einer dicken Strickjacke, bleibt sitzen und sagt, der Islam erlaube es nicht, vor anderen Menschen aufzustehen. Er erhält eine Ordnungsstrafe von 200 Euro, ersatzweise vier Tage Haft.

Es wird der einzige Satz sein, den Halil D. am Donnerstag im Saal des Landgerichts sagen wird. Der Mann wirkt älter als 36 Jahre, vielleicht wegen des weitgehend kahlen Kopfes. Zu seiner eigenen Person will er aussagen, zur Sache zumindest vorläufig nicht, sagen seine Anwälte. Die Sache, um die es geht, ist schwerwiegend.

Drei Liter Wasserstoffperoxid und eine Rohrbombe - Radrennen vorsichtshalber abgesagt

Halil D. kaufte im März unter falschem Namen in einem Baumarkt drei Liter Wasserstoffperoxid, das man zur Schimmelbeseitigung, aber auch zum Bombenbau verwenden kann. Die Polizei kam ihm auf die Spur, observierte ihn und seine Familie, nahm ihn Ende April fest und durchsuchte dann seine Wohnung in Oberursel. Gefunden wurde ein kleines Waffenarsenal: Eine mit Nägeln gefüllte Rohrbombe, Schusswaffen, Munition und Messer.

Die Ermittler gingen davon aus, dass der Mann, der offenkundig kein Mitglied einer Terror-Gruppe ist, aber Verbindungen zu islamistischen Extremisten gehabt haben soll, ein Attentat auf ein großes Radrennen um Frankfurt am 1. Mai 2015 plante. Die Veranstaltung wurde abgesagt.

Ein Fall für das Bundesverfassungsgericht?

Die Verteidigung bestreitet, dass Halil D. einen, wie die Staatsanwaltschaft behauptet, "dschihadistischen" Anschlag plante. Die Verteidiger versuchten zunächst, die Verlesung der Anklage zu verhindern, mit dem Argument, sie sei mangelhaft und begründe keinen hinreichenden Tatverdacht. Sie hatten keinen Erfolg, das Gericht ließ die Staatsanwälte vortragen.

Anschließend forderte Halil D.s Wahlverteidiger Ali Aydin das Gericht anschließend auf, den Prozess auszusetzen, seinen Mandaten auf freien Fuß zu setzen und den Fall, der auf dem unter Rechtsexperten umstrittenen Paragraf 89a der Strafgesetzbuch über die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat beruht, dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

"Es fehlt nur ein einziges mutiges Gericht"

Aydin hält diesen Strafparagrafen für grundgesetzwidrig. "Strafverfolgung darf nicht in Gesinnungsrecht münden", sagte er im Gerichtssaal. Und er ermunterte die Richter zu einem Gang nach Karlsruhe. "Es fehlt nur ein einziges mutiges Gericht, das einen solchen Fall einmal dem Verfassungsgericht vorlegt."

Eine Entscheidung über diesen Antrag wird frühestens bei der nächsten Verhandlung am Montag erwartet. Der Prozess ist bislang bis zum Sommer terminiert. Vergangenes Jahr war auch die Ehefrau von Halil D. festgenommen worden. Sie ist wieder auf freiem Fuß, ihr wird nicht der Prozess gemacht. Dem Ehemann droht im Fall einer Verurteilung eine Haftstrafe vom maximal zehn Jahren.

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SZ vom 22.01.2016/tamo/cat
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