Prozess nach Methadon-Tod:Chantals Pflegeeltern wehren sich

Lesezeit: 2 min

Die Angeklagte im Prozess um den Drogen-Tod der elfjährigen Chantal verbirgt ihr Gesicht mit den Händen. In ihrem Haushalt soll die Ersatzdroge Methadon offen herumgelegen haben. (Foto: dpa)
  • Das Hamburger Landgericht erhebt Anklage gegen einen Mann und eine Frau wegen fahrlässiger Tötung.
  • Die beiden Drogenabhängigen sollen offen eine Methadon-Tablette liegengelassen haben, an der ihr Pflegekind, die elfjährige Chantal, später starb.
  • Die Angeklagten beteuern, dass die Tabletten in der Garage versteckt gewesen seien.
  • Die Staatsanwaltschaft wirft dem Pflegevater vor, Chantal allein gelassen zu haben. Das Mädchen hätte sonst vermutlich gerettet werden können.

Die Anklage

War es eine Tragödie oder eine Straftat? Knapp drei Jahre nach dem Methadon-Tod der elfjährigen Chantal müssen sich die Pflegeeltern vor dem Hamburger Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 54 Jahre alten Wolfgang A. und der 50-jährigen Sylvia L. fahrlässige Tötung in Tateinheit mit Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht vor. Sie sollen eine Methadon-Tablette offen liegengelassen haben, an der Chantal später starb. Auf fahrlässige Tötung stehen bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe. Bis zum 19. Dezember sind sechs weitere Verhandlungstage angesetzt.

Die Verteidigung der Angeklagten

Zum Prozessauftakt wiesen die Pflegeeltern die Vorwürfe zurück. Die Heroin- Ersatzdroge habe nicht offen herumgelegen, versicherten sie. Das Methadon sei in der Garage versteckt gewesen. Der Anwalt des Pflegevaters, Udo Jacob, sagte, es sei ein Rätsel, woher Chantal, deren leibliche Mutter auch drogenabhängig sei, die Tablette gehabt habe. Man werde auf Freispruch plädieren. Chantal lebte seit 2008 bei dem Paar in Hamburg-Wilhelmsburg. Die Pflegeeltern waren seit Jahren in einem Ersatzprogramm, in dem ein Methadon-Medikament verabreicht wird.

In persönlichen Erklärungen, die von den Anwälten vorgelesen wurden, bedauerten die Angeklagten den Tod des Mädchens. Man habe die Situation falsch eingeschätzt, die Gefahr nicht erkannt. Kurz zuvor habe Chantal nach dem Essen schon einmal über Übelkeit und Juckreiz geklagt. Auch an dem 16. Januar 2012 habe der Vater eine Lebensmittelallergie vermutet.

Die Hintergründe von Chantals Tod

Der Anklage zufolge hatte Chantal einen Tag vor ihrem Tod eine von den Pflegeeltern liegengelassene Methadontablette eingenommen. Sie habe geglaubt, es handele sich um ein Medikament gegen Übelkeit. Einen Tag später war sie tot. Die Kinder, neben Chantal zwei Kinder des Paares und ein Enkelkind, seien am Abend für Stunden allein gewesen. Der Pflegevater sei erst am späten Abend nach Hause gekommen und habe geglaubt, es sei nur ein Unwohlsein, heißt es in der Anklage.

Auch am nächsten Morgen habe er nichts unternommen, obwohl Chantal nicht zur Schule gehen wollte. Vielmehr habe er am Vormittag die Wohnung verlassen, und das obwohl er gewusst habe, dass seine Lebensgefährtin erst am Nachmittag nach Hause kommen würde, sagte Staatsanwalt Florian Kirstein. Das Mädchen hätte mit großer Wahrscheinlichkeit gerettet werden können, wenn rechtzeitig Hilfe geholt worden wäre.

Die Vorwürfe an das Jugendamt

Das Mädchen stand damals unter der Aufsicht des Jugendamts. Der Behörde wurden später schwere Fehler vorgeworfen. Die Anwälte betonten am Rande der Verhandlung, das Jugendamt habe gewusst, dass die Pflegeeltern in einem Ersatzprogramm für Drogenabhängige gewesen seien.

Ähnlicher Fall in England

In einem ähnlich gelagerten Fall muss ein Elternpaar aus dem englischen Blackpool, dessen zweijährige Tochter sich mit der Ersatzdroge Methadon vergiftet hat, nun für acht Jahre ins Gefängnis. Ein Gericht verurteilte die beiden wegen Totschlags. Das zwei Jahre alte Mädchen war gestorben, nachdem es Methadonlösung aus einer Kindertasse getrunken hatte, die offen herumstand. Vor Gericht hieß es, das Paar habe seinen Drogenmissbrauch über die Gesundheit und Sicherheit seines Kindes gestellt. So sei das Kleinkind zu Hause Heroin und Kokain ständig ausgesetzt gewesen. Laut Polizei seien sogar in Kinderfruchtsäften Spuren der Drogen gefunden worden.

© Süddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: