Süddeutsche Zeitung

Hannover:Mädchen in Hundebox gesperrt und mit Stromstößen gequält?

  • Eine Mutter soll ihre sechsjärhige Tochter zur Strafe in eine Transportbox für Hunde gesperrt und ihr mit einem sogenannten Erziehungshalsband leichte Stromstöße versetzt haben.
  • Der Frau droht wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren.

Das kleine, rote Holzhaus liegt auf einem beschaulichen Waldgrundstück in Burgwedel bei Hannover. Es könnte ein Spielparadies für Kinder sein, die hier am Wochenende herumtollen. Doch in dem kleinen Haus müssen sich furchtbare Szenen abgespielt haben. Mehr als ein Jahr lang soll ein sechsjähriges Mädchen hier von seiner eigenen Mutter gequält worden sein wie ein Hund. Die Frau soll das Kind in eine Hundebox gesperrt und ihm teilweise ein Elektrohalsband, das leichte Stromschläge abgibt, umgehängt haben. Die heute 44 Jahre alte Frau muss sich nun wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen vor dem Landgericht Hannover verantworten.

Zu Beginn des Prozesses verteidigte sich die Mutter wortreich. In ihrer etwa anderhaltbstündigen Aussage bestritt sie die Misshandlungen. Diese wären doch sonst Ärzten, der Familienhebamme oder der späteren Familienhelferin aufgefallen, sagte sie zu ihrer Verteidigung. Die Mutter berichtete, dass das Kind ihr zunehmend aus den Händen geglitten sei und in der Schule unwahre Geschichten erzählt habe.

Die Angeklagte räumte lediglich ein, ihre Tochter einmal für kurze Zeit eingesperrt zu haben. Zuvor habe die Sechsjährige bereits in der Hundebox im Kinderzimmer mit Kuscheltieren gespielt. "Ich habe sie gesichert, damit sie nicht rausläuft und vor ein Auto läuft", sagte die Mutter. Jahrelang habe sie sich für die Förderung ihrer Tochter eingesetzt - etwa mit Logopädie und Ergotherapie. Der Vater des Mädchens lebte nicht bei der Familie, soll aber in einem Fall das weinende und nur in Unterwäsche bekleidete Kind aus der verschlossenen Hundebox befreit haben. Gegen den Mann wird gesondert ermittelt.

Der Anklage zufolge soll die Mutter im Zeitraum zwischen August 2016 und September 2017 immer wieder vermeintlich fehlerhaftes Verhalten der Tochter brutal bestraft haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr unter anderem vor, die Sechsjährige über Nacht in einer Transportbox für Hunde eingesperrt und diese teilweise mit einem Vorhängeschloss abgesperrt zu haben.

Mindestens einmal soll die Frau ihre Tochter mit einem Stromschlag, ausgelöst über ein Elektrohalsband für Hunde, misshandelt haben. Das Kind müsse sich selbst das Halsband umgetan haben, sagte die 44-jährige Angeklagte vor Gericht aus. Bevor der Hausarzt von der roten Linie am Hals ein Foto gemacht habe, sei das Kind allein mit dem Vater gewesen. Auch ein Stachelhalsband habe sich das Mädchen selbst im Bett angelegt.

Außerdem soll sie ihre Tochter zur Strafe im Wald ausgesetzt und mit einer Peitsche, einem Ledergürtel und einem Holzstück geschlagen haben. "Diese drastischen Maßnahmen ergriff die Angeklagte immer dann, wenn die Tochter nach ihrer Auffassung nicht gut genug oder frech war", sagte Thomas Klinge, Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Das Strafgesetzbuch sieht bei Misshandlung von Schutzbefohlenen eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor.

Das Martyrium des Mädchens wurde bekannt, als sie sich einer Vertrauensperson offenbart hat. Die Videovernehmung der heute Neunjährigen wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Gerichtssaal gezeigt. Der Anklage zufolge soll das Mädchen eine stark ausgeprägte Bindungsstörung infolge der seelischen Leiden haben. Sie und ihre jüngere Schwester wurden nach Bekanntwerden der Vorwürfe vom Jugendamt in Obhut genommen.

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