Keine Kameras, keine Reporter, kein Publikum: "Nicht öffentliche Sitzung" steht am Eingang zum Saal 126 des Landgerichts Ulm. Seit Dienstag wird dort über einen Mord verhandelt, den ein heute 16 Jahre alter Jugendlicher begangen haben soll. Mit drei Messern soll der damals 15-Jährige einen 64 Jahre alten Mann in dessen Wohnung getötet haben. Und zwar, so die Staatsanwaltschaft, "aus Abneigung gegenüber Homosexuellen und um Wertsachen des Mannes an sich zu nehmen".
Weil nach Jugendstrafrecht verhandelt wird, sind normalerweise selbst die Angehörigen des Beschuldigten von so einem Prozess ausgeschlossen. In diesem Fall macht das Gericht aber eine Ausnahme: Bei der Verlesung der Anklage dürfen Mitglieder der türkischstämmigen Familie des Beschuldigten, der die deutsche Staatsangehörigkeit hat, noch anwesend sein.
Der Angeklagte lebte auf der Straße
Die Familie wohnt in Mannheim, nach einem Schulverweis war der Sohn abgehauen. In Ulm lebte er auf der Straße - immer auf der Suche nach Essen, Trinken und einem Schlafplatz. So war es auch an jenem Abend des 23. Mai. Am Hauptbahnhof begegnete der Jugendliche seinem Opfer. Der ältere Mann nahm ihn mit in seine Wohnung im nahegelegen Dichterviertel. Bei den Nachbarn war der 64-Jährige bekannt und beliebt. "Man konnte gut mit ihm reden", sagt eine Frau.
Dass der Alleinstehende vermutlich schwul war, störte niemanden. Seinen späteren Mörder soll es jedoch stark abgestoßen haben. Als der Mann ihm 50 Euro für Fotoaufnahmen bot und ihn dann noch - "ohne Nachdruck", wie das Gericht betont - zu sexuellen Handlungen aufforderte, soll der 15-Jährige ausgerastet sein. Immer wieder habe er mit einem Küchenmesser auf sein Opfer eingestochen. Als es abbrach, heißt es in der Gerichtsmitteilung unter Berufung auf die Anklage, habe er mit anderen Gegenständen auf das Opfer in dessen Wohnung eingeschlagen.