Prozess in Spanien:Wie starb Asunta?

KILLING OF THE CHINSES ADOPTED GIRL

Mitschüler in Santiago de Compostela gedenken dem toten Mädchen Asunta, das am Mittwoch 13 Jahre alt geworden wäre. Vor zwei Jahren wurde sie tot aufgefunden.

(Foto: Lavandeira Jr/dpa)

Im spanischen Santiago de Compostela läuft ein Prozess um den Tod eines zwölfjährigen Mädchens. Auf der Anklagebank sitzen die Adoptiveltern - über das Motiv für die Tat gibt es wilde Gerüchte aus der High Society.

Von Thomas Urban, Madrid

Die Bilder aus Santiago de Compostela sind eindrucksvoll: Hunderte Journalisten und Dutzende Kamerateams drängen sich dieser Tage vor dem Bezirksgericht. In der nordspanischen Pilgerstadt ist ein zwölf Jahre altes Mädchen getötet worden, seit Dienstag wird der Fall vor Gericht verhandelt, im Land ist schon jetzt die Rede von einem Sensationsprozess. Denn angeklagt sind die reichen und hoch angesehenen Adoptiveltern der Schülerin.

In der Nacht zum 22. September 2013 hatte ein junges Liebespaar die Leiche der zwölfjährigen Asunta auf einem Feldweg bei Santiago de Compostela gefunden. Die Untersuchungen ergaben ein klares Bild: Das Mädchen hatte eine tödliche Dosis eines Beruhigungsmittels eingenommen oder verabreicht bekommen. Anschließend war sie, halb betäubt, mit einem weichen Gegenstand erstickt worden, vermutlich mit einem Kissen.

Am Abend zuvor hatten die Adoptiveltern das Mädchen als vermisst gemeldet. Die beiden waren seit mehreren Jahren geschieden und hatten sich das Sorgerecht für das Mädchen geteilt, das sie mit einem Jahr als Waisenkind aus China adoptiert hatten. Die 46-jährige Mutter, Rosario Porto, ist Inhaberin einer alteingesessenen Anwaltskanzlei in der Innenstadt, die sie von ihrem Vater, einem bekannten Rechtswissenschaftler, geerbt hat. Sie hat an Studienprogrammen in Oxford und Paris teilgenommen, zehn Jahre lang hatte sie Frankreich als Honorarkonsulin in der Region Galicien vertreten.

Indizienprozess mit 84 Zeugen und 60 Sachverständigen

Ihr fünf Jahre älterer Ex-Mann Alfonso Basterra hat sich in der Stadt als Feuilletonjournalist einen Namen gemacht. Gemeinsame Bekannte, die nun ausführlich in den Lokalmedien zu Wort kamen, bescheinigten den beiden, dass sie auch nach der Scheidung freundschaftlich miteinander umgegangen seien. Sie hätten sich oft bei Kulturveranstaltungen in der Stadt getroffen, Rosario Porto sei dort gelegentlich als geistreiche Moderatorin im Einsatz gewesen. Um so größer waren die Schlagzeilen, als die Polizei die beiden prominenten Mitglieder der städtischen Elite wenige Tage nach der Einäscherung und Beisetzung Asuntas in Handschellen abführte.

Vor Gericht streiten die Angeklagten jede Schuld ab. So findet nun ein Indizienprozess statt, 84 Zeugen und 60 Sachverständige sollen zu Wort kommen. Die Ankläger können kein Motiv der Eltern für den Mord an ihrem Kind nennen. Sie fordern je 19 Jahre Gefängnis für beide, die Verteidiger wollen auf Freispruch plädieren.

Unterdessen machten wilde Gerüchte die Runde. Der Vater habe die Tochter sexuell missbraucht, die Mutter habe sich dafür an ihr gerächt, berichten Medien. Doch die Ermittler stellten rasch klar, dass es dafür nicht den geringsten Anhaltspunkt gebe. Nachbarn wollten wissen, dass Asunta von den verstorbenen, extrem reichen Großeltern mütterlicherseits als Alleinerbin eingesetzt worden sei; doch auch dieses Gerücht erwies sich als falsch. Stattdessen sammelten die Untersuchungsrichter zahlreiche Aussagen von Lehrern, Nachbarn und Bekannten darüber, dass die Mutter stets von ihrer Tochter geschwärmt habe. Die war in der Tat eine vorbildliche Schülerin. Sie nahm Ballettstunden, spielte Klavier und führte einen Blog auf Englisch. Darin schrieb sie über die Mythen und Legenden ihrer Stadt, etwa die Gebeine des Apostels Jakobus, die angeblich in der Kathedrale ruhen. Fotos zeigen ein hübsches, unbeschwert lächelndes Mädchen.

Dasselbe Mädchen, das an einem Tag im Juli 2013, völlig benommen zu einer Klavierstunde gekommen sein soll. Der Vater erklärte dem Musiklehrer und dessen zufällig anwesendem Kollegen, Asunta habe Tabletten bekommen, weil sie an einer Allergie leide. Nachdem der Vater gefahren war, so gaben beide bei den Ermittlungen zu Protokoll, habe das Mädchen unvermittelt gesagt: "Meine Mutter will mich umbringen." Bedeutung hätten sie diesem Satz damals nicht beigemessen, da das Mädchen völlig verwirrt gewirkt habe.

Für den Staatsanwalt aber ist die Aussage der Musiklehrer ein wichtiges Glied in seiner Beweiskette: Die Eltern hätten über Monate den Mord an ihrer Tochter vorbereitet, sie hätten ihr immer wieder starke Beruhigungsmittel verabreicht. Dagegen lassen die Verteidiger durchblicken, dass laut ihren Experten dafür kein Nachweis erbracht werden könne.

Vater soll der Tochter öfters "weiße Pülverchen" gegeben haben

Allerdings befragten die Ermittler den Kinderarzt der Familie, der bestritt, dass Asunta an einer Allergie gelitten habe. Zudem kann der Staatsanwalt mit einer weiteren belastenden Aussage aufwarten: Rosario Porto habe ihren Ex-Mann beschuldigt, der Tochter immer wieder "weiße Pülverchen" gegeben zu haben, was dieser allerdings zurückwies.

In seiner Hausapotheke wurde genau das Medikament gefunden, das die Tochter an ihrem Todestag betäubt hatte. Und neben der Leiche lag ein Stück Plastikschnur - die selbe Schnur fand die Polizei bei einer Hausdurchsuchung auf der Finca des Adoptivvaters. Diesem wird zusätzlich zur Last gelegt, dass er seinen Laptop und ein Handy als gestohlen gemeldet hatte.

Die Verteidigung verweist darauf, dass es sich sowohl bei dem Medikament als auch bei der Schnur um handelsübliche Ware handle, die sich in Tausenden von Haushalten finde. Eine Lokalzeitung schreibt, die Verteidiger planten, den Ermittlern Unterdrückung von entlastendem Material vorzuwerfen: An einem Ärmel der Bluse des toten Mädchens sei ein Fleck gefunden worden, bei dem es sich offenbar um Sperma handle. Dieser Spur sei nicht hinreichend nachgegangen worden, schreibt das Blatt.

So ist bei diesem Prozess in der feinen Gesellschaft von Santiago de Compostela im Schatten der berühmten Kathedrale, die alljährlich Hunderttausende Pilger besuchen, alles möglich: Verurteilung wegen Mordes oder Freispruch. So oder so, die Regenbogenpresse hofft, dass nebenbei das eine oder andere düstere Familiengeheimnis gelüftet wird.

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