Prozess in Pretoria:Forensiker entlastet Pistorius teilweise vor Gericht

Oscar Pistorius Johannes Vermeulen

Forensikexperte Johannes Vermeulen bei seiner Demonstration anhand einer Kopie der Toilettentür

(Foto: dpa)

Trug Oscar Pistorius Prothesen, als er auf seine Freundin schoss? Nein, sagt ein Forensiker und bestätigt damit die Aussage des Sprintstars. In einem anderen Punkt widerspricht er Pistorius jedoch grundlegend.

Der beinamputierte Paralympics-Star Oscar Pistorius hat bei seinen tödlichen Schüssen auf seine Freundin Reeva Steenkamp nach Aussage eines Polizeiexperten keine Prothesen getragen. Der Forensiker Johannes Vermeulen bestätigte damit im Mordprozess gegen Pistorius die Darstellung des Angeklagten. "Die Spuren an der Tür stimmen mit der Aussage überein, er habe keine Prothesen angehabt", sagte der Experte.

Pistorius erklärte, er sei in der Tatnacht zum 14. Februar 2013 auf seinen Beinstümpfen in Panik zum Bad geeilt und habe durch die verschlossene Toilettentür geschossen, weil er dort einen Einbrecher vermutete. Die Staatsanwaltschaft hatte dagegen anfangs behauptet, der Angeklagte habe seine Prothesen zuvor angelegt. Damit hatte sie dem Angeklagten ein überlegtes Handeln unterstellt - und die Mordthese gestützt.

Anhand der in den Gerichtssaal transportierten Kopie der Toilettentür erläuterte Vermeulen auch die Hiebspuren an der Tür. Zwei Abdrücke seien "der unwiderlegbare Beweis dafür, dass ein Cricketschläger benutzt wurde, um die Tür aufzubrechen", sagte Vermeulen.

Forensikexperte widerspricht Pistorius

Die Aussage spielt eine wichtige Rolle bei der Klärung des zeitlichen Ablaufs in der Tatnacht. Entscheidend ist, wann und in welcher Höhe der Schläger eingesetzt wurde. Pistorius sagt behauptet, er habe einen Einbrecher in der Toilette vermutet und daher durch die Tür geschossen. Erst als er bemerkt habe, dass sich seine Freundin in der Toilette befand, habe er versucht, die Tür mit dem Schläger aufzubrechen. Zuvor habe er seine Beinprothesen angelegt.

Der Staatsanwaltschaft zufolge hatte Pistorius zuerst versucht, mit Hilfe eines Cricketschlägers die Tür zur Toilette aufzubrechen, um zu Steenkamp zu gelangen. Danach habe er geschossen.

Der Forensikexperte brachte mit seiner Aussage nun Pistorius' Darstellung ins Wanken. Vermeulen zufolge deuten die Spuren an der Tür darauf hin, dass der beinamputierte Sportler ohne seine Prothesen war, als er versuchte, mit dem Schläger die Tür aufzubrechen. Dies ergebe sich aus der niedrigen Höhe der Abdrücke. Es wäre "sehr unbequem" für den Angeklagten gewesen, auf seinen Prothesen an die niedrige Stelle an der Tür zu gelangen, an der sich die Spuren befinden, sagte Vermeulen, der die Aktion im Gerichtssaal demonstrierte.

Vermeulen war im vergangenen Jahr als Experte zu den Ermittlungen zur Tötung Steenkamps hinzugezogen worden. Er verfügt über drei Jahrzehnte Erfahrungen in der Kriminaltechnik.

Pistorius muss sich wegen der Tötung seiner Freundin in der Nacht zum Valentinstag 2013 seit Anfang März vor Gericht verantworten. Im Prozess versuchte die Staatsanwaltschaft bisher durch Zeugenaussagen unter anderem zu belegen, dass der Sportler ein Waffennarr sei.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: