Prozess in Perugia:Amanda Knox fliegt in ihre Heimat

Nur wenige Stunden sind zwischen Urteil und Abflug vergangen: Amanda Knox hat Italien auf dem schnellsten Weg verlassen. Vor ihrer Abreise dankte sie ihren Unterstützern und kündigte an, Italien später wieder einmal besuchen zu wollen. Später, wohlgemerkt, denn bei einer schnellen Rückkehr könnte ihr neues Ungemach drohen.

Nach vier Jahren Haft unter Mordverdacht im italienischen Gefängnis konnte es Amanda Knox nicht schnell genug gehen. Die 24-jährige Amerikanerin, die im Berufungsprozess um den Mord an der britschen Studentin Meredith Kercher freigesprochen wurde, hat Italien als freier Mensch verlassen.

Am Tag nach ihrem aufsehenerregenden Freispruch im Berufungsverfahren trat die Amerikanerin vom Rom aus den Heimflug über London in die USA an, wie Unterstützer berichteten. Vor der Abreise bedankte sie sich bei allen, "die mein Leid geteilt und mir geholfen haben, mit Hoffnung zu überleben". In einem offenen Brief schrieb sie auch: "Ich werde immer dankbar sein: Allen, die mir geschrieben haben, allen, die mich verteidigt haben, allen, die für mich gebetet haben. Ich habe Euch lieb, Amanda."

Am Abend des Urteils hatte sie ein Wagen vom Gefängnis in Perugia nach Rom gebracht. Sie sei die Fahrt über heiter gewesen und habe versichert, dass sie später wieder einmal nach Italien kommen wolle, sagte Corrado Maria Declon, Generalsekretär der Stiftung Italien-USA, die die Angeklagte unterstützt hatte.

Trotz des Danks der Freigelassenen und der Einlassungen ihrer Unterstützer. Schnell zurückkehren wird Knox wohl kaum - denn die Anklage hat schon angekündigt, gegen den Freispruch nun am Kassationsgerichts in Rom zu klagen. Ob Knox sich dem Verfahren in Italien stellen wird, ist zumindest offen. Außerdem ist fraglich, ob sich noch etwas ändert an dem Urteil. In dieser dritten und letzten Instanz bräuchte es Verfahrensfehler, um eingreifen zu können.

Die fassungslose Familie des Opfers muss nun mit quälender Ungewissheit leben. Wer tötete Meredith? Die entscheidende Frage ist weiter ungelöst. "Da Amanda und Raffaele gestern freigelassen wurden: Wer hat Rudy Guede bei der Tat geholfen?", fragt sich heute nicht nur der Bruder der Toten.

Familie Kercher: Wem soll man nun verzeihen?

Der in Italien aufgewachsene Ivorer Rudy Guede, ein Bekannter des Opfers, ist der Einzige, der wegen des Mordes noch im Gefängnis sitzt - doch als Helfer und nicht als Täter. Guede war nach dem Mord in Mittelitalien ins Ausland geflohen und wurde erst nach Tagen in Deutschland bei Mainz festgenommen. Seine Präsenz am Tatort wurde kurioserweise unter anderem dadurch bewiesen, dass er die Toilettenspülung im Mordhaus nicht betätigt hatte und so seine DNA-Spuren gesichert werden konnten. Außerdem wurde ein Fingerabdruck unter dem Kopfkissen der Toten entdeckt. 2008 verurteilte ihn ein Gericht in Perugia zu 30 Jahren Haft. Später beschuldigte er Knox und Sollecito als Mittäter, im Gegenzug bekam er eine Verkürzung der Haftstrafe auf 16 Jahre.

Die Familie Kercher zeigte sich am Tag nach dem Urteil zwar gefasst in einer Pressekonferenz. Sie "vertraue" weiterhin auf die italienische Justiz, sagte Stephanie Kercher, Merediths Schwester. Doch ohne eine Lösung des Falles "ist es schwierig zu verzeihen", und so sei der Fall für sie noch nicht zu Ende.

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