Prozess in Paris:"Afrikanischer Barbar" provoziert Gericht

Der Angeklagte grinst, reckt den Daumen in die Höhe und sagt: "Allah wird siegen": Der Prozess gegen die "Gang der Barbaren" hat in Paris mit einem Eklat begonnen.

Vor dem Pariser Geschworenengericht hat der Prozess gegen die selbst ernannte "Bande der Barbaren" begonnen, die 2006 einen jungen jüdischen Mann über drei Wochen hinweg langsam zu Tode gefoltert hat. Ilan Halimi starb auf dem Weg ins Krankenhaus, nachdem ihn seine Peiniger nackt, geschunden und entkräftet an Bahngleisen nördlich von Paris zurückgelassen hatten.

Prozess in Paris: Gier und Antisemitismus als mögliches Motiv: Der Hauptangeklagte Youssouf Fofana bei seiner Festnahme.

Gier und Antisemitismus als mögliches Motiv: Der Hauptangeklagte Youssouf Fofana bei seiner Festnahme.

(Foto: Foto: AFP)

Der mutmaßliche Anführer der Gruppe, Youssouf Fofana, wollte mit der Entführung bis zu 450.000 Euro Lösegeld erpressen. Zum Prozessauftakt provozierte er das Gericht und die Opferangehörigen.

Mit breitem Grinsen und nach oben gerecktem Daumen rief er "Allah wird siegen". Auf die Frage nach seinem Familiennamen antwortete er: "Afrikanischer Barbar, bewaffnet, aufrührerisch, salafistisch." Als sein Geburtsdatum gab er den 13. Februar 2006 an, den Todestag seines Opfers.

"Weil Juden zahlen"

Gegen den Willen von Ilans Mutter Ruth wird der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, weil mehrere mutmaßliche Komplizinnen Fofanas während der Tat minderjährig waren und gegen ein öffentliches Verfahren sind. Ruth Halimi hatte die Zulassung der Medien gefordert, "weil jeder wissen soll, wer Ilan gefoltert und getötet hat, weil er ein Jude ist", sagte sie in einem Fernsehinterview. Die Vorführung der Angeklagten verfolgte sie in sich gekehrt, den Oberkörper wie im Gebet nach vorn und zurück wippend.

Bei der Suche nach dem 23-jährigen Ilan hatte die Polizei ein antisemitisches Motiv zunächst ausgeschlossen und der Familie von der Lösgeldzahlung abgeraten, um Zeit zu gewinnen. Im Verhör gab Fofana jedoch an, er habe sein Opfer bewusst gewählt, "weil Juden zahlen".

Das Verbrechen, für das sich insgesamt zehn junge Frauen und 17 Männer verantworten müssen, hatte weit über die Grenzen Frankreichs hinaus für Entsetzen gesorgt. Die Anklage gegen den Hauptverdächtigen lautet auf vorsätzliche Tötung wegen der Religionszugehörigkeit des Opfers sowie auf Geiselnahme, versuchte Erpressung, Folter und Barbarei.

Joint auf der Stirn ausgedrückt

Aus Geständnissen konnte der Ablauf der schwer fassbaren Tat rekonstruiert werden: Fofana soll Ilan am 21. Januar 2006 im Pariser Vorort Sceaux von einer jungen Frau in die Falle haben locken lassen. Ilan Halimi wird zunächst in eine leerstehende Wohnung in einem Sozialbau gebracht, ausgezogen und gefesselt, mit Klebeband werden Mund und Augen geschlossen. Ernährt wird Ilan mit Suppen, die er durch einen Strohhalm schlürfen muss. Einer seiner Bewacher soll einen Joint auf seiner Stirn ausgedrückt haben, ein anderer soll ihm in die Wange geschnitten haben. Fotos des gequälten Mannes werden der Familie zugemailt.

Um die Geiselnahme besser geheim halten zu können, sei Ilan von seinen Peinigern in einen Technikraum des Sozialbaus gebracht und weiter gequält worden. Um seine Angst zu erhöhen, habe sich die Gruppe gegenüber ihrem Opfer als "Bande der Barbaren" ausgegeben. Erst, nachdem einige Aufpasser die Nerven verlieren und keine Kontaktaufnahme zu den Eltern zustande kommt, beendet Fofana das Martyrium. Doch als Ilan am 13. Februar gefunden wird, liegt er bereits im Sterben.

Nach Hinweisen einer Komplizin kommt die Polizei der Bande auf die Spur. Fofana, der vor der Tat schon mehrfach im Gefängnis saß, gelingt zunächst die Flucht an die Elfenbeinküste, dem Herkunftsland seiner Eltern. Die Bilder seiner Verhaftung in Abidjan am 22. Februar 2006 gingen um die Welt. Wenn der Prozess in zehn Wochen endet, muss er mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen.

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