Prozess in Kufstein:Haftet der Skigebiets-Betreiber bei schweren Unfällen?

Rekordjahr für NRW-Tourismus

Eine Sechsjährige war im Skigebiet Wilder Kaiser - Brixental gegen eine Schneekanone geprallt. Auf diesem Foto: Eine stillstehende Schneekanone in Winterberg in Nordrhein-Westfalen.

(Foto: dpa)
  • Im Skigebiet Wilder Kaiser-Brixental verunglückte Ende Januar 2017 ein sechsjähriges Mädchen tödlich auf einer Anfänger-Skipiste.
  • Die Staatsanwaltschaft Innsbruck erhob damals Anklage wegen fahrlässiger Tötung gegen den zuständigen Pistenchef.
  • Nun musste er sich vor Gericht verantworten. Dabei ging es auch um eine Grundsatzfrage: Wie weit geht die Haftung von Skigebiets-Betreibern bei Unfällen?

Von Titus Arnu

Die Stöcklabfahrt an der Hohen Salve ist keine besonders schwierige Piste. Ein breiter, flacher Skihang, die ideale Übungsstrecke für Anfänger. In der Hochsaison sind oft Skischulgruppen auf der Piste Nr. 44 unterwegs, auch an einem Nachmittag Ende Januar 2017 war das so. Die Gruppe wurde von einem Skilehrer und zwei Hilfsskilehrern begleitet, die Bedingungen waren eigentlich gut - dennoch kam es auf der Anfängerpiste zu einem tödlichen Unglück. Ein sechsjähriges Mädchen aus München verlor die Kontrolle über ihre Ski, durchbrach die Umzäunung einer Schneekanone und prallte mit dem Kopf gegen einen Hydranten. Für das Kind kam jede Hilfe zu spät, obwohl es einen Helm getragen hatte.

Die Obduktion ergab, dass das Mädchen an einem offenen Schädel-Hirn-Trauma gestorben war. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck erhob damals Anklage wegen fahrlässiger Tötung gegen den zuständigen Pistenchef der Skiwelt Wilder Kaiser-Brixental. Jetzt, ein halbes Jahr nach dem Unfall, musste sich am Dienstag der 46-Jährige vor dem Bezirksgericht Kufstein verantworten. Der Prozess wurde von österreichischen und deutschen Medienvertretern mit ungewöhnlich hohem Interesse verfolgt, schließlich ging es auch um eine Grundsatzfrage: Wie weit geht die Haftung von Skigebiets-Betreibern bei schweren Unfällen?

Grundsätzlich gibt es in den Alpenländern eine Verkehrssicherungspflicht für Skigebiete. Wer Gefahrenstellen auf den Pisten nicht ausreichend sichert, muss für die Folgen haften. Je nach Situation müssen Pistenbetreiber Warnschilder aufstellen, bei Lawinengefahr oder unzureichender Schneelage Pisten sperren, Hindernisse mit Polstern versehen und Fangnetze aufstellen. In Frankreich wurden gerade diese Woche die Betreiber des Skigebiets Les Arcs zu einer hohen Geldstrafe und einer Entschädigungszahlung verurteilt, weil eine russische Touristin Ende März 2013 im gesicherten Skigebiet von einer Lawine erfasst wurde und starb. Die Sicherungspflicht hätte erfordert, die Piste zu sperren.

Was womöglich fehlte, war der Anprallschutz an der Schneekanone

Was aber ist bei einer Schneekanone notwendig, was ist ausreichend als Absperrung? Um diese Frage ging es bei dem Prozess in Kufstein.

Die Bergbahnen Wilder Kaiser-Brixental hatten vor dem Prozess klargestellt, dass die mobile Schneekanone genügend gesichert gewesen sei. Zudem sei die Stelle, an der das Unglück passierte, flach und übersichtlich. Dies sah ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger jedoch anders. Laut seinem Gutachten war die Schneekanone, gegen die das Mädchen prallte, durch den Absperrzaun zwar gut erkennbar. Eine solche Absperrung erfülle aber nicht die Funktion eines Fangzaunes, wie man ihn an Gefahrenstellen verwendet. Die Schneekanone hätte nach Ansicht der Staatsanwaltschaft zusätzlich mit einem Anprallschutz gepolstert werden müssen - ziemlich sicher wäre der Unfall dann weniger schlimm ausgegangen.

Bei der Verhandlung, während der auch die Eltern des verunglückten Mädchens anwesend waren, erklärte sich der angeklagte Pistenchef zunächst für nicht schuldig. Er berief sich auf die gängigen Leitlinien der Verkehrssicherungspflichten auf österreichischen Skipisten. Nach diesen sei er vorgegangen, und nach diesen sei eine Verkleidung von mobilen Schneekanonen nicht vorgeschrieben.

Das Skigebiet sei auch vom Land Tirol regelmäßig kontrolliert worden, dabei seien keinerlei Sicherheitsmängel festgestellt worden. Die Richterin Karin Schiffmann folgte dem allerdings nicht, sie kam zu dem Schluss, dass in dem tragischen Fall eine Sorgfaltswidrigkeit vorlag. Zur Begründung sagte sie, die mobile Schneekanone hätte so gut gesichert werden müssen wie eine stationäre. Allzu hoch fiel die Strafe jedoch nicht aus: Der Pistenchef wurde wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 2800 Euro verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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