Gut möglich, dass John Ausonius damit gerechnet hatte, das Frankfurter Landgericht zumindest ohne Schuldspruch zu verlassen. Sein Rechtsbeistand Joachim Bremer hatte ihm zwar geraten, sich auf alle Eventualitäten einzustellen. Aber sowohl der Anwalt als auch sein Mandant hatten in dem Mordprozess zuletzt recht zuversichtlich gewirkt. Doch die Richter entschied anders: Der 64-jährige Schwede Ausonius, der in seiner Heimat wegen brutaler Gewaltverbrechen bereits zu lebenslanger haft verurteilt ist, erhielt in Deutschland abermals eine lebenslange Haftstrafe. Für den bislang so rätselhaften Mord an einer damals 68 Jahre alten Frankfurter Garderobiere im Jahr 1992.
Zwar gibt es keinen einzigen handfesten Beweis, dass der in seiner Heimat als "Lasermann" bekannt gewordene Ausonius die Garderobenfrau Bianka Zmigrod auf dem Heimweg unweit der Frankfurter Oper in den Kopf geschossen hat. Aber die Richter schlossen sich weitgehend den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft an. Das Gericht habe "nicht die geringsten Zweifel" an der Täterschaft, sagte die Vorsitzende Bärbel Stock in der Urteilsbegründung am Mittwoch. Die deutschen Fahnder hatten über lange Jahre hinweg Indizien gesammelt und zu einer, wie die Ermittler selbst meinen, überzeugenden Indizienkette zusammengefügt. Die Version der Anklage lässt sich ganz grob so zusammenfassen: Zu viele Hinweise sprächen für Ausonius, er müsse der Täter sein, zumal kein anderer Verdächtiger in Frage käme.
Der Schwede war im Februar 1992 nach Frankfurt gekommen, auf der Flucht vor den schwedischen Behörden. Die waren ihm nach einer Serie von Banküberfällen und einer aufsehenerregenden Serie von Schüssen auf Migranten auf die Spur gekommen. Der Sohn eines Schweizers und einer Deutschen wollte sich mit Zwischenstopp in Deutschland nach Südafrika absetzen.
Kriminalität:"Lasermann" und der Fall Zmigrod
Im Jahr 1992 wird in Frankfurt eine Garderobiere erschossen. Erst jetzt soll dem schwedischen Tatverdächtigen der Prozess gemacht werden. In den 90er Jahren hatte er auch in Skandinavien Verbrechen begangen.
Nach dem Besuch in einem Restaurant in der Innenstadt bemerkte er, dass sein Taschencomputer mit offenbar wichtigen Daten fehlte. Er beschuldigte - das ist unbestritten - die Garderobiere, ihn bestohlen zu haben, wollte den Inhalt deren Handtasche sehen und beschwerte sich in lautem Ton bei einer Kollegin Zmigrods. Erfolg hatte er nicht. Kurz darauf wurde die Dame erschossen. Der Täter, den niemand aus der Nähe sah, nahm ihre Handtasche mit.
Narzisstische Persönlichkeit mit paranoiden Zügen
Der Mord an Zmigrod hat eine besonders tragische Seite. Die deutsche Jüdin hatte als junges Mädchen mehrere Todeslager der Nazis überlebt, wanderte nach dem Krieg nach Israel aus, kam zurück nach Frankfurt, wo ihr Lebensgefährte und auch sie selbst nach Immobilienspekulationen verarmten. Deshalb arbeitete sie im Rentenalter noch in dem Restaurant. Die Vorsitzende Richterin Bärbel Stock sagte in der Urteilsbegründung: "Frau Zmigrod hat Auschwitz und andere Lager überlebt, nicht aber die Begegnung mit dem Angeklagten." Ausonius nahm das Urteil mit starrem Gesicht, aber ohne erkennbare Regungen auf.
Die Kammer urteilte, dass der Angeklagte seit langem und nach wie vor gewaltbereit und jähzornig sei, eine narzisstische Persönlichkeit mit paranoiden Zügen habe und dass von ihm weiter Gefahr ausgehe. Deshalb verurteilten ihn die Richter auch zu anschließender Sicherungsverwahrung. Zu seinen Gunsten führten sie an, dass die deutsche Staatsanwaltschaft schon vor mehr als zehn Jahren Anklage gegen ihn hätte erheben können. Es sei rätselhaft, warum das nicht geschehen sei. Über die Gründe kann man nur mutmaßen. Nach dem Auffliegen der rechtsterroristischen Mörderzelle NSU war zwischenzeitlich spekuliert worden, der damals bereits verurteilte Ausonius könne eine Art Vorbild der Gruppe gewesen sein. Zwar bewahrheitete sich das nicht. Aber die hessische Justiz nahm die Ermittlungen gegen ihn neu auf.
Was geschieht nun mit dem "Lasermann"? Sein Anwalt Bremer kündigte Revision an, er hält die Indizien der Justiz für unzureichend. Bis zu einer Entscheidung wird der Mann in deutscher Haft bleiben. Nach einem rechtskräftigen Urteil muss er, so sieht es ein deutsch-schwedisches Rückführungsabkommen vor, wieder in ein schwedisches Gefängnis. Sicherungsverwahrung - ein Leben hinter Schloss und Riegeln nach Ablauf einer womöglich verkürzten Haft - kennt man in Schweden aber nicht. Bislang hatte Ausonius in seiner Heimat gewisse Hafterleichterungen, auch eine Aussicht, vielleicht vor dem Tod auf freien Fuß zu kommen. Diese Chance, so sagt die deutsche Staatsanwältin Nadja Böttinger, werde er im Fall einer endgültigen deutschen Verurteilung aber wohl kaum noch haben.