Prozess in Aalen:Mutter in Missbrauchsprozess freigesprochen

  • Der Sohn hat ihr vorgeworfen, sie als Kind mehrmals sexuell missbraucht zu haben, die Mutter bestreitet die Taten.
  • Sowohl Verteidigung als auch Anklage hatten in ihren Plädoyers aufgrund von Mangel an Beweisen einen Freispruch gefordert.

Es ist ein "außergewöhnlicher Fall", der vor dem Amtsgericht Aalen in Baden-Württemberg zu Ende gegangen ist. So formulierte es der vorsitzende Richter Martin Reuff. Ein Sohn hat seiner Mutter vorgeworfen, ihn mehr als zehn Mal sexuell missbraucht zu haben. Die 42-Jährige hatte die Vorwürfe stets bestritten, Aussage gegen Aussage. Am diesem Donnerstagvormittag fällte das Gericht sein Urteil: Freispruch. Nach der Verkündung erlitt die Mutter einen Schwächeanfall und kollabierte. Ihr Blutzucker sei wohl plötzlich stark gefallen, sagte sie. Nach einer kurzen Pause konnte Richter Reuff mit seinen Ausführungen fortfahren.

Der heute 18-jährige Sohn hatte sich im Laufe des Prozesses nicht vor Gericht äußern wollen. Stattdessen wurden Videoaufzeichnungen herangezogen, welche die Polizei von seiner Aussage vor zwei Jahren gemacht hatte. Damals berichtete der Sohn, der Missbrauch durch seine Mutter habe bereits im Alter von drei Jahren begonnen. Zuletzt sei er im Alter von zwölf Jahren missbraucht worden. Die Mutter habe ihn unter anderem gefesselt und sich auf ihn gesetzt. Vor drei Jahren soll der Sohn sich seinem Pflegevater anvertraut haben, daraufhin kam es zur Anklage gegen die Mutter.

Die 42-Jährige hat die Vorwürfe stets von sich gewiesen. Bei der Polizei hatte sie zu Protokoll gegeben, die Anzeige gegen sie sei ein "Racheakt" des Pflegevaters. Sie sei lesbisch und habe kein Interesse an Sex mit männlichen Personen.

Mit dem Freispruch orientiert sich das Gericht an der Forderung der Anklage und der Verteidigung. Der Anwalt der Mutter warf dem Sohn in seinem Plädoyer vor, er habe bei seiner Aussage gelogen. Er habe damit erreichen wollen, dass die ungeliebte Mutter keinen Kontakt mehr zu ihm haben darf. Auch Staatsanwalt Uwe Karst räumte in seinem Schlusswort ein, die der Mutter vorgeworfenen sexuellen Handlungen seien nicht zweifelsfrei nachweisbar.

Im Prozess hat es Kritik an den Videoaufzeichnungen gegeben. Viele Antworten des Jugendlichen auf Fragen des Ermittlungsrichters sind aufgrund technischer Mängel kaum verständlich. Gutachten bescheinigten sowohl der Mutter als auch dem Sohn eine leichte Intelligenzminderung.

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