Süddeutsche Zeitung

Prozess in Aachen:Ärztin wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt

"Sie hat den Einzigen getötet, der in ihrem Leben etwas Positives bewirkt hat": Das Landgericht Aachen hat eine 36-Jährige wegen Mordes an ihrem Ehemann schuldig gesprochen. Das Opfer hatte die Täterin einst vom Straßenstrich geholt und ihr eine Ausbildung zur Ärztin ermöglicht. Auch nach dem Urteil können die Akten nicht geschlossen werden.

Kennengelernt hatten sie sich auf dem Straßenstrich. Sie, die junge Prostituierte. Er, der fast 50 Jahre ältere Freier. Er machte sie zu seiner "Privatprostituierten", sie zog zu ihm und stieg in ein bürgerliches Leben auf. Die junge Frau absolvierte eine Ausbildung zur Ärztin, promovierte. Irgendwann jedoch wollte sie weg von ihrem ehemaligen Freier, sich vielleicht ganz von der tristen Vergangenheit trennen und ein neues Leben beginnen. Mit einem jüngeren Mann.

An dieser Stelle eskalierte die Situation: Der 85-Jährige stand der jungen Frau offenbar im Weg, als sie für eine neue Arbeitsstelle in Ulm und für ihren Liebhaber, den sie im Internet kennengelernt hatte, frei sein wollte. Also schaffte sie ihn aus dem Weg - davon ist zumindest das Landgericht Aachen überzeugt. Wegen Mordes hat die Kammer die 36 Jahre alte Angeklagte jetzt zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

Zynisches Detail des Verbreches: Ohne die Ausbildung zur Ärztin, die ihr das spätere Opfer ermöglichte, hätte die Frau die Tat wohl nicht begehen können. Nach Überzeugung des Gerichts spritzte sie dem 85-Jährigen eine Überdosis Morphium. Sie habe ihren Beruf als Ärztin missbraucht, sagte der Vorsitzende Richter Gerd Nohl am Dienstag.

Das Landgericht Aachen sah es als erwiesen an, dass sie die Wehrlosigkeit ihres Mannes spontan genutzt und ihn bewusst ermordet hatte. Die Frau habe mit ihrem Partner im Februar 2011 über ihre Zukunftspläne gestritten und wohl in Sekundenschnelle den Mordplan gefasst. Neben der Gefängnisstrafe verhängte das Gericht ein lebenslanges Berufsverbot gegen die Angeklagte. Sie wird nie wieder als Narkoseärztin arbeiten können.

Ihr Verteidiger hatte auf Totschlag in einem minder schweren Fall plädiert. Er konnte keinen kalt geplanten Mord erkennen. Der Ehemann habe die Frau im Streit schwer gedemütigt. Abgrundtief erregt, zornig und ins Mark getroffen habe sie ihn getötet. Sie habe die Tat nicht geplant, sondern im Affekt gehandelt, sagte der Anwalt. Gegen das Urteil will er Revision einlegen.

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