Prozess:Handy-Lauscher vor Gericht: Wenn Liebling mitliest

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In Heilbronn muss sich ein 20-Jähriger vor Gericht dafür verantworten, dass er das Handy seiner Freundin mit einer Software ausspioniert haben soll. (Foto: Arno Burgi/dpa)
  • Ein 20-Jähriger muss sich vor Gericht verantworten, weil er seiner Freundin heimlich eine Spionage-Software aufs Mobiltelefon geladen hat.
  • Für Opfer ist so etwas oft schwer zu erkennen, die Anbieter der Programme agieren in einer rechtlichen Grauzone.
  • Offenbar wird die entsprechende Software in einigen Fällen von gewalttätigen Stalkern genutzt, um ihre Opfer ausfindig zu machen.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Das Gift des Misstrauens wirkt am Anfang völlig harmlos. Vielleicht liegt das Handy der Lebensgefährtin oder des Ehemannes nur mal kurz offen auf dem Küchentisch rum. Man schaut hinein, was ist schon dabei. Aber halt: Wer hat denn da "liebe Grüße" per SMS geschickt? Was ist das denn für eine seltsame Nummer, die angerufen wurde? Und dieser Typ, diese junge Frau auf dem Foto, erst gestern geschossen?

Sehr seltsam. Man schaut immer öfter mal rein in dieses Handy, man will immer mehr wissen. Und irgendwann erfährt man im Netz, dass es lediglich 50 Euro im Monat kostet, wirklich alles zu wissen über die Lebensgefährtin oder den Ehemann. Und man beginnt den Download.

Dabei kann das Gift des Misstrauens sehr viel mehr zerstören, zum Beispiel eine Beziehung, eine Liebe. Und der Preis, den man zahlt, um alles zu wissen, kann ein Termin vor dem Richter sein.

Eine "ziemlich kranke Tat"

An diesem Mittwoch musste sich in Heilbronn ein 20-Jähriger vor dem Amtsgericht dafür verantworten, dass er seiner Freundin eine solche Spionage-Software heimlich auf ihr Mobiltelefon geladen hat. Drei Monate lang hat er damit laut Anklage ihre SMS und Whatsapp-Chats mitgelesen - über das Ende ihrer Beziehung hinaus. Seine Tat sei "schon ziemlich krank" gewesen, gab der junge Mann nach Angaben des Jugendrichters bei der Verhandlung zu.

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Das Ganze war aufgeflogen, weil Fotos des Opfers bei Ermittlungen in einem ganzen anderen Fall in Bayern aufgetaucht waren. Dem Vernehmen nach hatte es dort Durchsuchungen bei dem App-Entwickler gegeben. Die Polizei verfolgte die Spur der Fotos und ermittelte den 20-Jährigen.

Zu seinem Motiv erklärte dieser nach Angaben des Gerichts am Mittwoch, dass die Beziehung problematisch und seine Freundin sehr eifersüchtig gewesen sei. Dieses Verhalten habe auf ihn abgefärbt. Das Urteil fiel relativ mild aus: 30 Arbeitsstunden. Der Richter begründete seine Entscheidung damit, dass der Angeklagte geständig war und die Tat schon zwei Jahre zurücklag. Außerdem habe ihm die Ex-Freundin die Tat nicht sonderlich krummgenommen.

Die Frau hatte die Spionage vermutlich gar nicht bemerkt. Aber nicht aus Naivität. Denn für Schnüffelopfer ist die entsprechende Software oft schwer zu erkennen. Mal wird sie in einer anderen App versteckt, mal so getarnt, als gehöre sie zum Betriebssystem.

Die Anbieter der Programme agieren selbst in einer rechtlichen Grauzone - und verweisen gerne auf das Kleingedruckte. In den allgemeinen Geschäftsbedingungen werden Käufer dazu verpflichtet, die Software nur mit dem Einverständnis des Handynutzers zu verwenden. Meist geht es angeblich nur darum, das Gerät im Falle eines Diebstahls orten zu können.

Aber aus dem Werbeumfeld, das sich im Netz rund um solche Produkte rankt, lässt sich klar erkennen: Angesprochen werden Menschen, die andere überwachen wollen, ob aus wirtschaftlichen oder privaten Gründen. Die Eltern das Kind. Der Chef den Arbeitnehmer. Der Ehemann die Ehefrau.

Gehört diese Art von Software nicht verboten?

Bestimmt spielt auch der Reiz eine Rolle, in ein fremdes Leben einzutauchen, aber das meist gebrauchte Werbemotiv lautet in etwa so: "Trauen Sie Ihrer Partnerin, Ihrem Partner? Wirklich? Ich kann Ihnen da eine Geschichte aus meinem Leben erzählen, die werden Sie nicht glauben. Versuchen Sie doch auch mal unsere Software, dann sehen Sie selbst." Und so weiter.

Amerikanische Anbieter verdienen mit dem Geschäftsmodell ein Heidengeld. Die Legitimation ziehen sie aus dem Argument, ihre Software sei gedacht für besorgte Eltern, die ihre Kinder im Internet nicht unbeaufsichtigt lassen wollen, außerdem für Arbeitgeber, die ihren Angestellten fürsorglich über die Schulter schauen wollen. Laut Statistiken der Unternehmen wird die Software allerdings nur von etwa 40 Prozent der Käufer genutzt, um Kinder zu überwachen. Zehn bis 15 Prozent entfallen auf Arbeitgeber. Der große Rest? Wird nicht benannt.

Selbst in den regulierungsskeptischen USA wird mittlerweile debattiert, ob diese Art von Software nicht verboten gehört. Zumal sie offenbar in einigen Fällen von gewalttätigen Stalkern genutzt wurde, um ihre Opfer ausfindig zu machen. Vor deutschen Gerichten ist die Spionage-Software bislang noch kein großes Thema gewesen. Nach Auskunft des baden-württembergischen Justizministeriums wurden im vergangenen Jahr sieben Verfahren wegen Paragraf 202 a und 202 b des Strafgesetzbuches geführt: Ausspähen und Abfangen von Daten. Aber ob es sich in den Fällen um Handy-Spähsoftware handelte, ist nicht dokumentiert.

Jedenfalls drohen Spionen, die nach diesen Paragrafen verurteilt werden, bis zu drei Jahre Haft. Was wieder einmal zeigt: Kontrolle hat in einer guten Beziehung nichts zu suchen. Vertrauen ist besser.

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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