Prozess gegen Thomas Wolf:Die letzte Maske ist gefallen

Er klaute Fahrräder, beging Ladendiebstähle, entführte eine Bankiersgattin und erpresste dabei 1,8 Millionen Euro - fassen konnte ihn die Polizei länger als ein Jahrzehnt nicht. Jetzt steht Thomas Wolf vor Gericht.

Hans Holzhaider, Frankfurt

"Sportlich, kultiviert, aber selten langweilig" - so beschrieb sich Thomas Wolf, 58, im Mai in einer Kontaktanzeige im Hamburger Abendblatt. Eine Einschätzung, die auch von der Kriminalpolizei durchaus bestätigt wird. Der mehr als ein Jahrzehnt hin meistgesuchte Kriminelle Deutschlands, das wussten die Beamten der "Soko Wolf" in Frankfurt, trat gern als Gentleman auf, verbrachte seine Freizeit in Schwimmbädern und Fitnesscentern, spricht fließend Englisch und Niederländisch, und kommt bei Frauen gut an.

Entfuehrer Thomas Wolf zum Prozessbeginn nur eingeschraenkt verhandlungsfaehig

Der Mann mit den 1000 Gesichtern: Die ehemalige Polizeivizepräsidentin von Frankfurt am Main, Sabine Thurau, zeigt 2009 ein Bild des Gewaltverbrechers Wolf.

(Foto: dapd)

Seine jüngste Frauenbekanntschaft allerdings wurde ihm zum Verhängnis. Eine 58-jährige Fußpflegerin in Hamburg, die sich auf Wolfs Kontaktanzeige gemeldet hatte, schöpfte Verdacht, als ihr neuer Bekannter das Ansinnen an sie stellte, in seinem Namen eine Wohnung zu mieten, ein Konto zu eröffnen und ein Auto zuzulassen. Sie informierte die Polizei, am 28. Mai 2009 nahm ein Mobiles Einsatzkommando Thomas Wolf fest, als er eine Kneipe auf der Hamburger Reeperbahn verließ. An diesem Dienstag beginnt vor dem Landgericht Wiesbaden der Prozess gegen ihn. Auf seinem Konto stehen zwei Banküberfälle und eine spektakuläre Entführung. Zwei Monate vor seiner Verhaftung hatte Thomas Wolf in Wiesbaden die Ehefrau eines leitenden Bankangestellten in seine Gewalt gebracht und 1,8 Millionen Euro Lösegeld erpresst.

Mehr als zehn Jahre lang war die Polizei vergeblich hinter Thomas Wolf her. Als "Chamäleon" wurde er beschrieben, als einer, der sich so unauffällig seiner Umgebung anpassen konnte, dass er für die Zielfahnder des Bundeskriminalamts einfach von der Bildfläche verschwand. Wolf, in Düsseldorf geboren, blickt auf eine sehr lange kriminelle Karriere zurück. Als 15-Jähriger klaute er Fahrräder und beging kleinere Ladendiebstähle, später kamen Raub, Betrug, und Erpressung dazu. Von 1981 bis 1999 verbüßte Wolf diverse Haftstrafen, dreimal gelang ihm die Flucht. Trotzdem wurde ihm an Silvester 1999 ein Hafturlaub genehmigt, von dem er nicht zurückkehrte.

Große Kaltblütigkeit

Im April 2000 überfiel er eine Bankfiliale in Hamburg, bedrohte Kunden und Angestellte mit einer Bombenattrappe und erbeutete eine halbe Million Mark, drei Jahre später funktionierte dieselbe Masche noch einmal bei einem Überfall auf eine Bank im niederländischen Eindhoven - da ließ er 110.000 Euro mitgehen. Dann trat Thomas Wolf, jedenfalls soweit man das weiß, bis 2009 nicht mehr in Erscheinung. Nach den Erkenntnissen der Polizei lebte er in dieser Zeit unter holländischem Namen völlig unauffällig mit einer Lehrerin in einem Einfamilienhaus im Frankfurter Westend. Dann, so ist zu vermuten, war die Beute aufgebraucht, und Wolf brauchte neues Geld.

Die Entführung der Bankiersgattin in Wiesbaden zeugt von großer Kaltblütigkeit. Wolf klingelte an der Haustür, überwältigte die Frau, die ihm öffnete, und flüchtete mit ihr in einem gemieteten VW-Golf, den er mit gestohlenen Kennzeichen versehen hatte. Den Ehemann seines Opfers dirigierte er per Telefon stundenlang kreuz und quer durchs Rhein-Main-Gebiet. An der A66 musste der Mann schließlich das Lösegeld in einer Sporttasche abstellen, Wolf schnappte es sich und raste davon. Die Polizei hatte ihn im Visier, griff aber nicht zu, um das Leben des Opfers nicht zu gefährden. Einige Stunden später rief Wolf bei der Polizei an und teilte mit, dass er die Frau in einem Waldstück bei Hofheim-Diedenbergen an einen Baum gefesselt habe. Die Frau hatte sich aber in der Zwischenzeit schon selbst befreien können.

Wolf musste erleben, dass das Leben auf der Flucht auch nicht vorhersehbare Risiken birgt: Irgendwann hatte ihn eine Zecke gebissen, er erkrankte an Borreliose. Die Krankheit nahm ihn so mit, dass jetzt vor dem Landgericht Wiesbaden immer nur vormittags verhandelt werden darf. Dass die vom Gericht angesetzten zehn Verhandlungstage ausreichen, ist deshalb eher unwahrscheinlich.

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