Süddeutsche Zeitung

Prozess gegen Reemtsma-Entführer:Drach bezeichnet Verfahren als "albernes Theater"

Der Reemtsma-Entführer Thomas Drach soll aus dem Gefängnis heraus versucht haben, seinen eigenen Bruder zu erpressen - um sich seinen Teil der Kidnapping-Beute zu sichern. Vor Gericht hat der 51-Jährige die Tat jedoch bestritten: Das Gericht werde nicht erfahren, welche Absprachen er mit seinem verwandten Komplizen habe.

Seinen Unmut über den neuerlichen Prozess gegen seine Person hatte der Reemtsma-Entführer Thomas Drach bereits am Donnerstagmorgen deutlich gemacht: Er verweigerte zunächst seine Anwesenheit, weil ihm für die Fahrt zum Hamburger Landgericht Fesseln und eine Augenbinde angelegt werden sollten. Mit dem Sichtschutz wollten die Behörden verhindern, dass sich der Angeklagte den Weg von der Justizvollzugsanstalt Hamburg-Billwerder ins Gericht merkt.

Die Verhandlung wurde bis zum Mittag unterbrochen - und die Zwangsvorführung des Beschuldigten angeordnet. Dass er die Sicherheitsmaßnahmen nicht mitmachen wolle, sei keine ausreichende Entschuldigung für sein Fehlen, begründete die Vorsitzende Richterin den Beschluss. Drachs Verteidiger sprach hingegen von einer maßlos überzogenen Vorsichtsmaßnahme: "Es grenzt an eine gewisse Menschenunwürdigkeit", sagte der Anwalt.

Die verspätete Ankunft Drachs war dann denkbar spektakulär: Mitglieder einer Spezialeinheit der Polizei in Strumpfmasken und mit Maschinenpistolen bewaffnet führten ihn ins Gericht. Die Justiz befürchtet bei dem 51-Jährigen extreme Fluchtgefahr. Daher wurde der gebürtige Rheinländer schon mehrfach in verschiedene Gefängnisse verlegt.

Vor Ort machte Drach aus seiner Verachtung für das Verfahren wegen Anstiftung zur versuchten räuberischen Erpressung keinen Hehl: Er stritt die Vorwürfe ab - und bezeichnete die Verhandlung "albernes Theater".

Drach, der immer noch wegen der Entführung des Multimillionärs Jan Philipp Reemtsma im Jahr 1996 eine Haftstrafe absitzt, soll aus dem Gefängnis heraus eine weitere Straftat geplant haben. Die Anklage wirft Drach vor, im Februar 2009 mit zwei Briefen versucht zu haben, einen Freund zu einer Erpressung anzustiften. Über den Umweg sollte Drachs jüngerer Bruder 30 Millionen Euro an den Angeklagten zahlen. Zu der Tat kam es nicht, weil Justizbeamte die Briefe abfingen und an das Landeskriminalamt weiterleiteten. Als Motiv sieht die Anklage den Kampf um die Lösegeld-Millionen aus dem Kidnapping vor 15 Jahren.

Der Angeklagte sagte zu den Vorwürfen, das seien "alles familieninterne Angelegenheiten". Welche Absprachen er mit seinem Bruder habe, werde das Gericht nicht erfahren: "Das haben Sie in den 15 Jahren nicht erfahren, und das werden Sie auch heute nicht erfahren." Zuvor hatte Drachs Anwalt in einer 45-minütigen Erklärung begründet, warum seiner Einschätzung nach kein hinreichender Tatverdacht besteht. Der Verteidiger beantragte die Einstellung des Verfahrens.

Nach Verlesung der Anklage und den ersten Einlassungen des Angeklagten wurde der Prozess unterbrochen. Am Montag wird das Verfahren gegen den Schwerverbrecher fortgesetzt.

Reemtsma war am 25. März 1996 auf seinem Grundstück entführt und 33 Tage lang als Geisel gehalten worden. Thomas Drach war nach Jahren der Flucht 1998 in Argentinien festgenommen und 2001 in Hamburg zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. In der Folge hatte sich seine Haftstrafe wegen zwei weiterer Verurteilungen um mehrere Monate verlängert.

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