Prozess gegen Jungenmörder:"Maskenmann" will seine Taten erklären

Dreifacher Mord und 23-facher sexueller Missbrauch: In Stade hat das Verfahren gegen den mutmaßlichen Mörder des kleinen Dennis und zwei weiterer Jungen begonnen. Der Angeklagte hat angekündigt, sich ausführlich zu den Taten zu äußern. Unterdessen steht die Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft in der Kritik.

Lange hatte er kein Gesicht, aber einen Namen. "Maskenmann" nannte die Presse den Täter, der sich getarnt mit einer Skimaske nachts in ebenerdige Kinderzimmer, Schullandheime und Zeltlager schlich und Jungen missbauchte. Drei entführte und tötete er. Erst Anfang dieses Jahres - fast zwanzig Jahre nach dem ersten Mord - konnte die Polizei den Maskenmann fassen. An diesem Montag hat nun in Stade das Verfahren gegen Martin N. begonnen.

Zum Prozessauftakt legte die Staatsanwaltschaft dem 40 Jahre alten Bremer dreifachen Mord und 23-fachen sexuellen Missbrauch zur Last. N. habe aus niedrigen Beweggründen getötet, um andere Straftaten zu vertuschen, sagte der Staatsanwalt bei der Anklageverlesung vor dem Landgericht.

Staatsanwaltschaft spielt Ermittlungspannen herunter

Der Beschuldigte, der mit langem Bart und teilweise ergrautem Haar in den Gerichtssaal kam, verfolgte die Ausführungen der Staatsanwaltschaft weitgehend regungslos. Die Verteidigung kündigte für den kommenden Verhandlungstag am 26. Oktober eine ausführliche Erklärung ihres Mandanten an. Bereits nach einer halben Stunde endete der erste Prozesstag.

Vor Verfahrensbeginn hatte der Norddeutsche Rundfunk (NDR) über Pannen bei den Ermittlungen gegen den mutmaßlichen Jungenmörder berichtet - die Staatsanwaltschaft wiegelte jedoch unmittelbar vor Prozessbeginn ab. "Wir sind bestens aufgestellt", sagte ein Behördensprecher. Sollten tatsächlich Akten nicht mehr vorhanden sein, sei das "völlig nebensächlich", sagte er. Die Staatsanwaltschaft sei zuversichtlich, dem Angeklagten die Morde und zahlreiche Missbrauchsfälle nachweisen zu können.

Der NDR hatte berichtet, Polizei und Staatsanwaltschaft hätten in Bremen und Bremervörde Akten vernichtet, obwohl die entsprechenden Taten zu dem Zeitpunkt noch nicht verjährt gewesen seien. Außerdem habe es die Bremer Polizei abgelehnt, eine öffentliche Warnung auszusprechen, nachdem dort in kurzer Zeit siebenmal Jungen im Stadtteil Lehe missbraucht worden waren.

Bereits nach seiner Festnahme im April in Hamburg hatte der Pädagoge die drei Tötungsdelikte sowie etwa 40 weitere sexuelle Übergriffe auf Jungen gestanden. Alle Taten ereigneten sich zwischen 1992 und 2001 - die Hälfte der sexuellen Übergriffe ist inzwischen verjährt.

Den 13 Jahre alten Stefan entführte N. 1992 aus einem Internat in Scheeßel (Kreis Rotenburg), den achtjährigen Dennis R. 1995 aus einem Zeltlager bei Schleswig und den neunjährigen Dennis K. aus einem Schullandheim nahe Bremerhaven. Die Eltern der drei getöteten Jungen und ein Missbrauchsopfer treten in dem Verfahren als Nebenkläger auf.

Bis Anfang Dezember hat die Kammer zehn weitere Termine angesetzt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: