Prozess gegen Kachelmann:Ex-Geliebte im Vernehmungsmarathon

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Aussage gegen Aussage: Im Kachelmann-Prozess ist die Glaubwürdigkeit des mutmaßlichen Opfers entscheidend. Die 37-Jährige wurde stundenlang vernommen - und muss sich bald der Verteidigung stellen.

Es ist eine Herausforderung der besonderen Art - noch einmal jene Nacht zu durchleben und davon zu berichten, was geschehen ist, beziehungsweise was geschehen sein soll.

Für das mutmaßliche Opfer - hier im Auto ihres Anwalts auf dem Weg zum Landgericht - ist der Vernehmungsmarathon noch lange nicht zu Ende. (Foto: dapd)

Sabine W. sieht die kritischen Stunden im Februar in Schwetzingen ganz anders als ihr langjähriger Gefährte Jörg Kachelmann, 52, der bekannte TV-Moderator, der jahrelang das Wetter in die deutschen Haushalte brachte. Es sei eine Vergewaltigung gewesen, sagt die Radio-Journalistin, er habe sie nach einem Beziehungsstreit mit einem Messer bedroht - es sei einvernehmlicher Sex gewesen, sagt Kachelmann. Der TV-Wettermoderator beteuert seine Unschuld.

Die Vernehmung der ehemaligen Geliebten wird in der kommenden Woche viel Zeit in Anspruch nehmen - und das nach nach einem Vernehmungsmarathon von mehr als sechs Stunden am gestrigen Mittwoch. Schon am nächsten Montag muss die 37-Jährige im Mannheimer Landgericht erneut in den Zeugenstand.

Da Aussage gegen Aussage steht, spielt die Glaubwürdigkeit des möglichen Opfers eine entscheidende Rolle.

Am Mittwoch ist das mutmaßliche Vergewaltigungsopfer lediglich von den Richtern befragt worden. Sechs Stunden ist sie im Zeugenstand. Sabine W. verbirgt ihr Gesicht hinter der Hand, als sie im Gerichtsgebäude erscheint. Sie trägt eine schwarze Jacke zur lila Hose.

Die Frau muss ausführlich ihre Lebensgeschichte darlegen, sie erzählt von den elf Jahren mit Kachelmann, manchmal stockt ihre Stimme, manchmal schaut sie zu ihm. Außerdem schildert sie die Tatnacht - unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Bild-Zeitung will dennoch erfahren haben, dass die Zeugin während der Vernehmung in Tränen ausbrach. Sie sei immer davon ausgegangen, die einzige Frau in seinem Leben zu sein. "Sie spricht davon, wie sie Kachelmann einst vertraut hatte", schreibt das Blatt.

"Das Gericht fragt sehr gut und sehr gründlich", sagt ein Prozessbeteiligter in einer Sitzungspause. Insgesamt neun Gutachter beobachteten das mutmaßlicher Opfer bei seiner Aussage. Staatsanwalt Lars-Torben Oltrogge erklärt: "Unter den gegebenen Umständen hält sie sich ganz gut."

Erst wenn das Gericht die Befragung abgeschlossen hat, erhalten Staatsanwaltschaft und Verteidigung die Möglichkeit, eigene Fragen zu stellen. "Bei einem solchen Vorwurf ist es normal, dass das Gericht versucht, sich ein umfassendes Bild der Zeugin zu machen", sagt einer der Anwälte.

Auch zweiter Befangenheitsantrag erfolglos

Die Zuschauer waren am Mittwochmorgen nur kurz zugelassen, als der Befangenheitsantrag Kachelmanns gegen das Gericht abgelehnt wurde. Die Voraussetzungen für die Besorgnis der Befangenheit lägen "mitnichten vor", so die Begründung. Es ist bereits der zweite erfolglose Befangenheitsantrag der Verteidigung. Kachelmann-Anwalt Reinhard Birkenstock erklärt, er gehe dennoch von einem Freispruch seines Mandanten aus.

Hintergrund des zweiten Ablehnungsantrags war eine Auseinandersetzung über die Belehrung der Ex-Freundin Kachelmanns. Die Anwälte verlangten den Hinweis, dass sie im Falle eigener Strafbarkeit ein Zeugnisverweigerungsrecht habe. Damit zielten die Verteidiger auf eine mögliche Falschbezichtigung Kachelmanns durch die Ex-Freundin ab.

Nachdem die Mannheimer Strafkammer die Belehrung zunächst ablehnte, wurde der Befangenheitsantrag gestellt. Inzwischen lenkte die Strafkammer jedoch ein und belehrte die Zeugin über ihr Zeugnisverweigerungsrecht. Zwei Richter aus anderen Kammern des Landgerichts sowie ein Ergänzungsrichter entschieden jetzt nachträglich, dass die anfängliche Weigerung kein Grund für die Besorgnis der Befangenheit war.

Kachelmann-Verteidiger Birkenstock argumentiert, die Richter hätten sich offenbar entschieden, der Frau zu glauben. Deshalb seien sie befangen. Das Gericht weist nun diese Argumentation zurück: Es sei "die Freiheit des Vorsitzenden, den Zeitpunkt einer Belehrung zu bestimmen". Eine Belehrung sei erst dann erforderlich, wenn ein Zeuge beginnt, über Dinge auszusagen, die ihn in die Gefahr der Strafverfolgung bringen. Die Entscheidung, mit der Belehrung zu warten, "stellt keinen Ermessensmissbrauch dar".

"Revisionsgericht ist kritischer"

Birkenstock zeigt sich von der Entscheidung gleichwohl nicht überrascht. "Ich weiß aus langer Erfahrung, dass Richter ungern ihre Kollegen wegen Besorgnis der Befangenheit aus einem Verfahren entfernen", so der Kachelmann-Verteidiger. "Beim Revisionsgericht wird das oft kritischer und anders gesehen."

Hinter dem Verfahrensstreit steckt eine frühere Falschaussage der Ex-Freundin in Teilbereichen. Die Radiomoderatorin hatte bei der Polizei zunächst angegeben, ein anonymes Schreiben mit dem Hinweis auf intime Beziehungen Kachelmanns zu einer anderen Frau erhalten zu haben, dazu Flugtickets auf seinen und den Namen der anderen. Später räumte die Radiomoderatorin ein, dass sie nur die Tickets anonym bekam und dann unter einem Vorwand Kontakt zu der anderen Frau aufnahm. Die Untreue ihres langjährigen Freundes bestätigte sich.

Bei der Polizei gestand die Ex-Freundin ihre eigenen Recherchen zunächst nicht ein. Diese Lüge bezüglich der Vorgeschichte sieht die Verteidigung als Beleg, dass auch der Vergewaltigungsvorwurf falsch ist.

In der kommenden Woche sind zwei Verhandlungstage am Montag und Mittwoch angesetzt.

© dpa/dapd/AFP/kat - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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