Prozess gegen Jungenmörder:"Maskenmann" reimte über Taten

Im Prozess gegen den "Maskenmann" hat das Gericht Chat-Beiträge des geständigen Kindermörders verlesen. In unbeholfenen Reimen und Fäkalsprache schrieb er über seine Taten und sich selbst - als "furchtbar bösen Mann".

Hans Holzhaider, Celle

Es war keine besonders besinnliche Pflicht, der sich die Schöffen, Nebenkläger, Rechtsanwälte und der Gerichtspsychiater im Prozess gegen den sogenannten Maskenmann während der Weihnachtspause unterziehen mussten. Der 41-jährige Sozialpädagoge Martin N. ist angeklagt, in den Jahren 1992 bis 2001 eine Vielzahl von Jungen im Alter von acht bis zwölf Jahren sexuell missbraucht und drei von ihnen ermordet zu haben.

Über einen Zeitraum von zehn Jahren hatte Martin N. auf einer vor allem von pädophilen Männern genutzten Internetplattform mehr als 4000 Chatbeiträge hinterlassen. Diese mussten nun von den Prozessbeteiligten gelesen werden. Dieses "Selbstleseverfahren" hat den Zweck, einen Prozess nicht mehr als nötig zeitlich aufzublähen. Damit der Grundsatz der Öffentlichkeit trotzdem gewahrt bleibt, verlas der Vorsitzende Richter Behrend Appelkamp am ersten Verhandlungstag nach der Unterbrechung einige ausgewählte Chat-Beiträge, die Martin N. unter dem Pseudonym GerdX ins Internet gestellt hatte.

Der erste wurde am 11. September 2001 geschrieben, dem Tag der Anschläge in den USA. Ein anderer Chatter hatte geschrieben, er finde es geil, dass die Amerikaner nun auch mal "was auf den Deckel gekriegt" hätten. GerdX antwortete: "Ich finde noch ganz andre Sachen geil, zum Beispiel wenn kleine Jungen Sexualmördern in die Hände fallen." Nur wenige Tage zuvor hatte Martin N. in einem Schullandheim in Wulsbüttel bei Bremen den neunjährigen Dennis Klein sexuell missbraucht und ihn, als das Kind zu schreien begann, aus Angst, entdeckt zu werden, erwürgt.

Vom 16. Oktober 2008 stammt ein Chatbeitrag mit der Überschrift "Eine böse Lehre": "Nach dem ersten Oralsex am See eine kleine Verdeckungstat begehen. Steine zum Beschweren findet man meist im Uferbereich". Bis heute gibt es keine Erkenntnis darüber, ob auch dieser Beitrag in zeitlichem Zusammenhang mit einem Mord steht. Martin N. stand während der Ermittlungen auch im Verdacht, ein Kind in Frankreich getötet zu haben, dessen Leiche tatsächlich in einem See aufgefunden wurde. Er bestritt jedoch, mit dieser Tat etwas zu tun zu haben, es wurden auch keine weiteren Indizien für seine Täterschaft gefunden.

Am 30. Oktober 2010 stellte Martin N. alias GerdX eine eigene Version des "Heiderösleins" von Johann Wolfgang von Goethe ins Netz, in dem er Phrasen benutzte wie "Knäblein auf der Heide" und von sich selbst als "der wilde GerdX" und "furchtbar böser Mann" schwadronierte - in unbeholfenen Reimen und Fäkalsprache. Der Text endet mit den Worten: "Knäblein wehrte sich und starb / half ihm doch kein Weh und Ach / Musst es eben leiden."

Eine literarische Figur

Martin N.s Verteidiger erklärten, ihr Mandant wolle dem psychiatrischen Sachverständigen, dem Münchner Gerichtspsychiater Norbert Nedopil, Angaben über diese Internetbeiträge machen. Nedopil bekam daraufhin Gelegenheit zu einem etwa einstündigen Gespräch mit N., von dem er anschließend berichtete. Der Angeklagte habe sich zunächst unter dem Pseudonym "Mario" an dem Chat beteiligt, sagte Nedopil. Unter diesem "Nickname" habe er weitgehend seine eigenen Standpunkte vertreten.

Das Pseudonym "GerdX" habe er später verwendet, um "alle negativen Klischees über Pädophile" zusammenzufassen. Das habe sehr viel Ablehnung im Internet provoziert. Es sei dabei aber nicht um seine eigenen Fantasien gegangen, GerdX sei für den Angeklagten eher so etwas wie eine literarische Figur gewesen. Rückblickend sei es ihm aber sehr unangenehm, was für einen "Scheiß" er damals geschrieben habe.

Das Gericht, das wegen Raumproblemen diesmal nicht in Stade, dem eigentlichen Sitz des Gerichts, sondern im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts in Celle tagte, beriet anschließend sehr lang über den Antrag der Verteidigung, während der Erstattung des psychiatrischen Gutachtens die Öffentlichkeit auszuschließen. Der Antrag wurde schließlich abgelehnt, weil angesichts der schweren Verbrechen, die Martin N. zur Last gelegt werden, das Interesse an einer öffentlichen Erörterung den Persönlichkeitsschutz des Angeklagten überwiege.

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