Prozess gegen Entführer:Angeklagter entschuldigt sich bei Eltern

13 Stunden fürchteten die Eltern einer Vierjährigen, sie würden ihre Tochter nie wieder sehen. Nun steht der mutmaßliche Entführer des Mädchens vor Gericht - und hat sich bei den Eltern entschuldigt.

Die Mutter Steuerberaterin, der Vater Sportlehrer. Ein schickes Haus in der Neubausiedlung von Kleinmachnow in der Nähe von Potsdam, zwei Autos vor der Tür. Doch am 10. Februar wird die Idylle jäh zerstört: Ein Mann entführt die vierjährige Tochter der Familie. Im Prozess gegen den mutmaßlichen Täter schilderten die Eltern vor dem Landgericht Potsdam, wie sie mehr als 13 Stunden voller Angst verlebt hätten. "Ich hatte Angst, mein Kind nie wieder zu sehen", sagte die Mutter.

Vierjährige entführt - Angeklagter legt Geständnis ab

Zum Auftakt des Prozesses hat der mutmaßliche Entführer einer Vierjährigen ein umfassendes Geständnis abgelegt.

(Foto: dpa)

Angeklagt ist ein 45 Jahre alter Geschäftsmann aus Berlin, der die Tat gestanden hat. Ihm drohen mindestens fünf Jahre Haft wegen erpresserischen Menschenraubes und schwerer räuberischer Erpressung. Im Prozess zeigte er tiefe Reue und bat die Eltern um Entschuldigung. "Es tut mir unendlich leid. Ich bereue das sehr, dass ich das getan habe", sagte der Mann. Während die Mutter dazu schwieg, sagte der Vater des entführten Opfers: "Dafür gibt es keine Entschuldigung."

Der Unternehmer, selbst Vater von drei Kindern, hatte das Mädchen wieder freigelassen, nachdem die Familie 60.000 Euro Lösegeld gezahlt hatte. Er wurde direkt nach der Tat festgenommen und sitzt seither in Untersuchungshaft. Als Motiv nannte der Angeklagte Schulden.

"Ich habe das anfangs für einen Scherz gehalten", schilderte die Mutter des Opfers den Beginn des Entführungsdramas. Die zierliche 42-Jährige wollte ihr Kind zur Kita bringen, als plötzlich ein maskierter Mann vor ihr stand, sie mit einer Sichel bedrohte - und ihre Tochter schnappte. Nach anfänglicher Panik habe sie im Verlauf des Tages etwas Zuversicht geschöpft, sagte die Frau.

Bange Minuten nach der Geldübergabe

Die Minuten nach der Geldübergabe seien jedoch sehr schwer gewesen: "Ich habe mir x-mal vorgestellt, wie ich mein Kind in den Arm nehme. Gleichzeitig wurde ich unruhiger und verzweifelter, je mehr Minuten vergingen."

Wie ihre Tochter die Entführung verkraftet hat, ist schwer zu beurteilen. Das Kind spreche wenig von der Tat, sagen die Eltern "Sie war anfangs ziemlich verstört", berichtete der Vater. "Es gibt Situationen, wo sie sehr heftig reagiert." Kurz nach der Entführung sei sie aggressiv gewesen, manchmal fange sie unvermittelt an zu schreien. Den Entführer nenne sie nur "er". Die Familie steht in Kontakt zu einem Kinderpsychologen, auch die Mutter hat professionelle Hilfe in Anspruch genommen.

Irritiert zeigte sich der Vorsitzende Richter Andreas Dielitz über das Verhalten der Polizei. Eine Nachbarin der Familie hatte die Entführung beobachtet und sofort den Notruf gewählt. Das Gespräch dauerte laut Protokoll allerdings 13 Minuten und 56 Sekunden, bis ein Einsatz ausgelöst wurde. Mehrfach wiederholte der Beamte auf Berlinerisch Angaben der Frau, brummelte "Mmh" oder "Aha". "Verzweifelt man da nicht am Telefon?", fragte der Richter die 41-jährige Zeugin.

Der Nachbarin ist jedoch vor allem die Verzweiflung der Mutter in Erinnerung geblieben: "Sie schrie immer wieder: Mein Kind, mein Kind!" Nach dem Ende des Telefonats sei die Polizei dann sehr schnell vor Ort gewesen.

Das Urteil des Landgerichts Potsdam wird für Freitag erwartet.

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