Prozess gegen Bill Cosby:Der Prozess gegen Bill Cosby ist ein bizarres Schauspiel

Bei dem Start der Verhandlung gibt es Gebrüll, Gegengebrüll und eine Anwältin, die wie in US-Justiz-Dramen durch das Gerichtsgebäude spaziert. Die Geschworenen dürften schon jetzt vollends verwirrt sein.

Kommentar von Jürgen Schmieder, Norristown

Natürlich ahnt der Beobachter gleich am ersten Verhandlungstag, dass dieser Strafprozess gegen den Schauspieler Bill Cosby keine ernstzunehmende Gerichtsverhandlung ist, sondern vielmehr ein bizarres Schauspiel. Es beginnt gleich am Morgen: Die stellvertretende Staatsanwältin Kristen Feden, eine junge Afroamerikanerin, wirkt bei ihrem dramatischen Eröffnungsvortrag so, als habe ihr Cosby, ein Idol für viele Afroamerikaner, auf dem Weg zum Gerichtssaal etwas angetan.

Es folgt der höchst unterhaltsame Auftritt von Verteidiger Brian McMonagle, der den erbosten Verschwörungstheoretiker gibt und dessen Stimme sich bei dramaturgisch bedeutsamen Worten überschlägt. Es gibt Gebrüll, Gegengebrüll, Tränen - und irgendwann, das ist kein Witz, da veröffentlicht Bill Cosby auf Twitter ein Foto von sich und seiner Fernseh-Tochter Keshia Knight-Pulliam aus einem Wartezimmer.

Richter Steven O'Neill gibt sich redlich Mühe, den gelassenen Conférencier zu geben, er beruhigt die Geschworenen und beschwört sie, sich nur ja nicht ablenken zu lassen von all den Scharmützeln, sondern lediglich auf die Aussagen der Zeugen und die vorgelegten Beweismittel zu achten. Der Angeklagte habe das Recht auf einen fairen und vorurteilsfreien Prozess, es solle bei dieser Verhandlung einzig und allein darum gehen, ob Cosby im Jahr 2004 eine junge Frau betäubt und danach sexuell missbraucht hat - also um nichts als die Wahrheit.

Die Geschworenen, das betont O'Neill mehrfach, sollen sich keinesfalls von den Vorträgen, den suggestiv gestellten Fragen und später von den Schlussplädoyers der Anwälte beeinflussen lassen. Wer vorsichtig fragt, warum es dann überhaupt solche Vorträge und Plädoyers gibt, den sehen die erfahrenen amerikanischen Prozessbeobachter mit einer Mischung aus Mitleid und Entrüstung an und erklären dann geduldig, ausführlich und keinesfalls nachvollziehbar die Signifikanz dieser Reden. Ihr Schlussargument lautet, dass so ein Prozess eben auch eine Inszenierung sein müsse.

Dazu gehört offenbar auch, dass Gloria Allred als eine Art Damokles-Anwältin durchs Gerichtsgebäude spaziert. Sie vertritt Kelly Johnson, die bis zum Montagnachmittag als "Prior Alleged Victim Six" bekannt gewesen ist und unter Tränen beschreibt, wie Cosby sie vor mehr als 20 Jahren betäubt und belästigt habe. Wohlgemerkt: Um diesen Fall geht es überhaupt nicht bei dieser Verhandlung, es soll lediglich unterstrichen werden, was für ein übler Kerl dieser Bill Cosby doch ist. Allred sagt in jedes Mikrofon, das sie finden kann, dass sie auf "Wahrheit" und "Gerechtigkeit" hoffe.

Eine Verurteilung wäre ein bedeutsames Signal

Die erfahrenen amerikanischen Prozessbeobachter erklären ungefragt, dass Allred vor allem auf gewaltige Zahltage hoffe. Sie vertritt bei Zivilklagen jene Frauen, die Cosby ebenfalls Missbrauch vorwerfen und nun auch im Gerichtssaal sitzen. Eine Verurteilung im Strafprozess wäre ein bedeutsames Signal für diese Verhandlungen.

Bill Cosby, der wahrscheinlich einzig wirklich begabte Schauspieler in diesem Saal, will nicht sprechen bei diesem Prozess. Er verfolgt dieses Schauspiel größtenteils so, wie ein Profisportler ein Kreisliga-Spiel betrachtet. Doch natürlich ist auch er Teil der Inszenierung, in prägnanten Momenten dreht er den Kopf zu den Geschworenen und guckt betroffen, bei fragwürdigen Aussagen flüstert er etwas ins Ohr seiner Anwältin, bei den heftigen Angriffen seines Anwalts auf eine Zeugin nickt er mit dem Kopf. Er will positive Bilder von sich in den Köpfen der Geschworenen kreieren, darum geht es bei diesem Prozess. Worum es jedoch viel zu wenig geht: die Wahrheit.

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