Prozess gegen Barretta:Gastronom, Guru, Gauner

Ernano Barretta, mutmaßlicher Hintermann der Erpressung von Susanne Klatten, präsentiert sich vor Gericht als harmloser Kneipier. Die Staatsanwaltschaft hält ihn für einen kriminellen Guru.

Julius Müller-Meiningen

Noch immer wundert man sich in Pescara, was am 8. März in München geschah. Morgens stand der Betrüger Helg Sgarbi vor Gericht wegen Erpressung der Quandt-Erbin Susanne Klatten und drei anderer vermögender Damen. Nachmittags war der Schweizer zu sechs Jahren Haft verurteilt.

Prozess gegen Barretta: Ernano Barretta umringt von Journalisten im Gericht von Pescara.

Ernano Barretta umringt von Journalisten im Gericht von Pescara.

(Foto: Foto: dpa)

Im Fall des mutmaßlichen Hintermanns der Erpressungen, Ernano Barretta, sind die Beobachter anderes gewöhnt. "Wie habt ihr das bloß gemacht? Bei uns geht es nicht so schnell wie in Deutschland", sagte der Lokaljournalist Enrico Nardecchia nach dem Gerichtstermin am Dienstag in Pescara.

Barretta erschien mit seinen Anwälten Carlo Taormina und Sabatino Ciprietti vor Richter Guido Campli. Der erklärte sich aus prozessrechtlichen Gründen für den Fall nicht zuständig, so dass ein anderer Richter am 9. April entscheiden soll, ob das Hauptverfahren gegen Barretta eröffnet wird. Alle Beteiligten gehen davon aus. Angeklagt sind ferner Ehefrau, Sohn und Tochter Barrettas sowie drei Angestellte, darunter Sgarbis Ehefrau Gabriele Franziska.

Barretta ist wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung, Betrugs und versuchter Erpressung angeklagt. Er soll das Treffen zwischen Susanne Klatten und Helg Sgarbi im Münchner Holiday-Inn-Hotel gefilmt haben. Er hatte das Nebenzimmer gemietet, bei Sgarbis Festnahme fand die Polizei Telefonnummern von Erpressungsopfern bei dem Italiener. Die Staatsanwaltschaft vermutet, er verberge Teile der Klatten-Millionen und sei durch die Erpressungen reich geworden.

Dass der Prozess in München schon am ersten Verhandlungstag endete, war auch dem Geständnis Sgarbis zu verdanken, der sich über seinen mutmaßlichen Hintermann nicht äußern wollte. Barretta hingegen nützte den Termin in Pescara, um sich als Nichtsahnender darzustellen. "Ich würde diese Frau Klatten wirklich gerne in meinem Landgasthof kennenlernen. Ich würde mich freuen, wenn sie vorbeikäme", sagte Barretta und untermalte so seine Version, von Klatten und den anderen Opfern nichts zu wissen.

Laut Staatsanwalt Gennaro Varone ist Barretta hingegen ein "bekannter Guru", der Jünger um sich geschart habe, mit deren Hilfe er die Verbrechen koordinierte. Ende Februar war der 63-jährige Barretta nach acht Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen worden und steht seither auf seinem luxuriösen Landgasthof "Rifugio Valle Grande" im Abruzzendorf Pescosansonesco unter Hausarrest.

Umtriebiger Großgastronom

Dort hatte die Polizei im vergangenen Mai 1,7 Millionen Euro entdeckt, die laut Staatsanwaltschaft zu den Klatten-Millionen gehören. Der Prominenten-Anwalt und Berlusconi-Vertraute Taormina sagte dazu der SZ: "In Italien vertrauen wir unser Geld schon lange nicht mehr den Banken an. Das Risiko, dass es später nicht mehr da ist, ist zu groß."

Das Geld, das die Ermittler in doppelten Böden und in einer Blumenvase fanden, stamme aus den Geschäften Barrettas mit dem Landgasthof, der auf große Hochzeitsbankette spezialisiert sei. 19.000 Gäste will Barretta allein in den vergangenen drei Jahren dort bewirtet haben.

Barrettas Verteidiger kündigten an, die Rückgabe von vier beschlagnahmten Häusern und zwei Grundstücken, die der Staatsanwaltschaft zufolge mit dem Erpressungsgeld gekauft worden sind, zu beantragen. Außerdem wollen sich Taormina und Ciprietti das Vernehmungsprotokoll Sgarbis aus München zuschicken lassen.

Aus diesem ergebe sich, dass Barrettas Position "irrelevant" sei, sagte Taormina. Die sieben Millionen Euro, die Klatten Sgarbi gegeben habe, seien ein Geschenk gewesen und kein Verbrechen. "Klatten ist mit Sgarbi ins Bett gegangen. Barretta hat mit der ganzen Sache nichts zu tun."

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