Süddeutsche Zeitung

Prozess:Ein teuflisches Verbrechen

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Der Teufel sollte einer Frau in Frankfurt ausgetrieben werden. Sie starb. Jetzt wurden im Prozess die Plädoyers gehalten.

Von Susanne Höll, Frankfurt

Es war ein qualvoller Tod, den die 41 Jahre alte Koreanerin Seonhwa P. vor gut einem Jahr in einem Frankfurter Hotel starb. Der Teufel sollte ihr ausgetrieben werden. Deshalb hielten sie fünf ihrer Landsleute in der Nacht zum 5. Dezember 2015 stundenlang fest. Darunter auch ihr damals 15-jähriger Sohn. Sie schlugen die Frau und drückten ihr schließlich noch einen Kleiderbügel und ein Handtuch in den Mund. Seonhwa P., die unter Wahnvorstellungen litt, erstickte, weil ihre Verwandten glaubten, sie sei von bösen Mächten befallen. Dabei waren die Frauen und Kinder nach Deutschland gekommen, ein besseres Leben für sich selbst und ihre Kinder zu suchen.

Die Angeklagte habe sich "angemaßt, über Leben und Tod zu entscheiden"

Seit vergangenem Herbst stehen die Exorzisten bereits in Frankfurt vor Gericht. Nun geht der Prozess, der sich aus vielen Gründen als schwierig erwies, seinem Ende zu: Am Freitag wurden die Plädoyers gehalten. Für die Hauptangeklagte, die 45 Jahre alte und mit dem Opfer entfernt verwandte Doean K., forderte die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Körperverletzung acht Jahre Haft: K. habe sich "angemaßt, über Leben und Tod anderer zu entscheiden". Für K.s Kinder, einen Sohn und eine Tochter im Alter von 22 und 20 Jahren, forderte die Staatsanwaltschaft vier und drei Jahre Haft.

Milde zeigte die Staatsanwaltschaft hingegen bei den beiden minderjährigen Angeklagten: Neben dem Sohn der Toten war auch ein heute gleichfalls 16 Jahre alter Neffe der Toten angeklagt. Beide seien sehr jung, hätten sich der Autorität der Tante gebeugt und seien von der Untersuchungshaft und der Gerichtsverhandlung sehr beeindruckt. Sie sollten zwei Jahre Jugendhaft erhalten, von denen sie bereits mehr als ein Jahr in Untersuchungshaft abgesessen haben. Der Rest solle auf Bewährung ausgesetzt werden. Sollte das Gericht im Fall der beiden Jungen der Anklage folgen, könnten sie nach dem Urteil zu ihren Familien zurückkehren. Das Urteil wird für kommenden Montag erwartet.

Die Staatsanwaltschaft sieht die Hauptbeschuldigten verantwortlich für das Geschehen in dem Hotelzimmer, in dem sich Seonhwa P. seltsam benahm. "K. hatte die Federführung", sagt die Anklage. "Sie war die Respektsperson." Auch habe K. das Handtuch und den Kleiderbügel in den Mund des Opfers gestopft. Die ganze Gruppe glaubte schon lange an Dämonen und hatte nach der Ankunft in Deutschland auch bereits versucht, den kleineren Brüdern der beiden Jugendlichen sowie einer weiteren Verwandten den Teufel auszutreiben.

Die Anwälte der Hauptbeschuldigten K. verlangten für ihre Mandantin ebenfalls eine Bewährungsstrafe. Sie sei zwar die einzige Erwachsene der Gruppe gewesen, habe aber die anderen nicht zum Exorzismus animieren müssen und habe ebenso wie die übrigen vier in einer subjektiven "Notsituation" gehandelt. Die Hauptangeklagte hatte das Plädoyer ihrer Verteidiger unter Tränen verfolgt. Auch die Anwälte ihres Sohnes und ihrer Tochter verlangten Bewährungsstrafen und die Aufhebung der Haftbefehle.

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Quelle:
SZ vom 18.02.2017
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