Juwelendiebstahl:X und Y unbekannt

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Nicht nur im Gerichtssaal ein Versteckspiel: Womöglich sind zwei Drahtzieher des Juwelendiebstahls noch immer unbekannt. (Foto: Matthias Rietschel/dpa)

Zwei bisher nicht identifizierte Täter könnten beim Einbruch ins Grüne Gewölbe eine wichtige Rolle gespielt haben, aber die Angeklagten machen vor Gericht nur lückenhafte Angaben. Nicht nur deswegen könnte der Deal zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft noch mal wackeln.

Von Iris Mayer, Dresden

Manchmal werden im Laufe eines Prozesses Taten klarer, manchmal summieren sich aber auch nur die offenen Fragen. Der Prozess um den Einbruch ins Grüne Gewölbe durchläuft nach der ersten Phase, in der ein Deal zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung geschlossen wurde, ein Großteil der Beute wiederauftauchte und mehrere Angeklagte Geständnisse ablegten und Details zum Tathergang preisgaben, nun die zweite Phase, die offenen Fragen häufen sich: Wer waren die Drahtzieher? Wer verwahrte die Beute, entschied über die Rückgabe, und wo sind die fehlenden Stücke? Vor allem aber: Wer waren die beiden Täter, die - glaubt man den Geständnissen der Angeklagten der arabischstämmigen Berliner Großfamilie R. - im November 2019 in Dresden dabei waren, aber bisher nicht vor Gericht stehen?

In den Antworten, die die Verteidiger von Rabieh R. geben, tauchen diese beiden Personen nun als X und Y auf. Am Freitag erklärten die Anwälte des 29-Jährigen, ihr Mandant habe mit X und Y sowie Wissam R. entschieden, wer beim Einbruch ins Grüne Gewölbe mitmachen darf. Ein Auftraggeber habe nicht existiert, auch der Einsatz von Waffen sei nicht geplant gewesen. Im Hintergrund habe es Personen gegeben, die sich um die Verwertung des gestohlenen Schmuckes kümmern wollten. Der Einbruch habe schnell vonstatten gehen sollen, "es sollte eine Blitzaktion sein. Rein, raus."

Die Verhandlung verlief in deutlich stockenderem Tempo, weil die Staatsanwaltschaft - wie schon tags zuvor die Richter - ihre Nachfragen an den angeklagten 29-Jährigen blockweise stellten, sich die Verteidigung dann zur Beratung zurückzog und erst danach abgestimmte Antworten lieferte. Und dies auch nur teilweise. Das zähe Ritual wiederholte sich mehrfach, auch ein Gespräch im Richterzimmer zwischen allen Prozessbeteiligten verlief, "ohne dass hierzu ein Konsens erzielt wurde", wie der Vorsitzende Richter Andreas Ziegel erkennbar genervt verkündete.

"Keineswegs bekommen, was wir wollten."

Dass der geschlossene Deal - mildere Strafen gegen Rückgabe der Beute und Geständnisse - durchaus noch wackeln könnte, deutete sich schon am Donnerstag an. Da monierte die Staatsanwaltschaft, die Einlassungen von fünf der sechs Angeklagten seien nicht glaubhaft, mindestens aber "lückenhaft". Demzufolge habe keiner der Angeklagten von der Tat profitiert oder von der Bedeutung des Schmucks gewusst, nun aber schämten sich alle dafür. Ein Angeklagter könne sich nicht mehr an die Tat erinnern, obwohl er zugegeben habe, beteiligt gewesen zu sein. Und die Idee zum Diebstahl stamme den Einlassungen zufolge von einem Angeklagten, "der die besten Chancen auf eine Jugendstrafe hat". Bezogen auf den Deal zwischen Anklage und Verteidigung sagte Staatsanwalt Christian Kohle, "dass wir keineswegs bekommen haben, was wir wollten".

Die 23- bis 29-Jährigen stehen seit knapp einem Jahr wegen schweren Bandendiebstahls, Brandstiftung und besonders schwerer Brandstiftung vor Gericht. Der Kunstdiebstahl in Sachsens Schatzkammermuseum am 25. November 2019 war einer der spektakulärsten in Deutschland. Laut Anklage erbeuteten die Täter 21 Schmuckstücke aus Diamanten und Brillanten im Versicherungswert von mehr als 113 Millionen Euro. Kurz vor Weihnachten wurde ein Großteil der Beute zurückgegeben, allerdings sind einige Stücke erheblich beschädigt.

Der Freistaat Sachsen macht in dem Prozess Schadenersatz in Höhe von 89 Millionen Euro geltend. Die Verteidigung zog diese Summe am Freitag in Zweifel. Der Diebstahl sei durch nicht ausreichend gesicherte Ausstellungsvitrinen begünstigt worden. Der angegebene Wert der zurückgegebenen Objekte, die Beschädigungen und der Wert für die noch verschollenen Stücke seien nicht nachweisbar belegt, das Gericht könne so nur spekulieren.

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