O.J. Simpson:Der Saft ist frei

OJ Simpson Anhörung

Ab 1. Oktober wieder ein freier Mensch: der Gefangene O.J Simpson.

(Foto: Jason Bean/dpa)

Die Bewährungs-Kommission hat entschieden, dass Simpson sein Leben nach neun Jahren Haft ab Oktober in Freiheit wird fortsetzen dürfen. Einer der prominentesten US-Gefangenen bewegt mal wieder Millionen Amerikaner.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Im Juni 1994 fuhr O. J. Simpson in einem weißen Ford Bronco auf dem Interstate Highway 405, verfolgt von zahlreichen Polizeiautos und Hubschraubern, gefilmt von mehreren Fernsehstationen, es heißt, weltweit hätten gut 95 Millionen Menschen die denkwürdige Flucht geguckt. Jetzt, im Juli 2017, war O. J. Simpson wieder ein Ereignis, das mehrere Millionen Amerikaner an die Fernsehgeräte fesselte. Der Nachrichtensender CNN, der Sportkanal ESPN und das Promiportal TMZ übertrugen die Anhörung des inhaftierten Ex-Footballstars am Donnerstagabend (Ortszeit) live, mehrere Dienste verschickten permanent Updates an Smartphones. Zu sehen war am Ende: O. J. Simpson, wie er lächelt. Erleichtert, sagen die einen; selbstgefällig, sagen die anderen. O. J. Simpson polarisiert, das ist so, seit er nach dem Tod seiner Ehefrau vor der Polizei flüchtete. Die Bewährungskommission hat entschieden, dass Simpson sein Leben nach neun Jahren Haft ab Oktober in Freiheit wird fortsetzen dürfen.

Bei der Anhörung sagte Simpson, der gerade seinen 70. Geburtstag gefeiert hat: "Die Leute kennen mich, seit ich 19 Jahre alt bin." The Juice haben sie ihn genannt, als er noch Footballprofi war, und wenn er als einer der besten Laufspieler der Geschichte mal wieder allen davongerannt ist, dann haben sie sich zugeraunt: "The Juice is loose." Der Saft ist aus der Packung, niemand kann ihn einfangen.

Simpson wurde als Filmstar ("Die nackte Kanone") und Werbefigur noch berühmter denn als Sportler. Irgendwann galt der Junge aus dem Ghetto von San Francisco als "Bürgermeister von Brentwood" - dieser Stadtteil gehört neben Beverly Hills und Bel Air zu den teuersten von Los Angeles. Es folgten die Anklage wegen Mordes an seiner ehemaligen Ehefrau Nicole Brown und deren Bekanntem Ronald Goldman, die wahnwitzige Flucht, der Strafprozess, der mehr einem Theater glich, an dessen Ende die Geschworenen ihn freisprachen. Dieser Fall ist seitdem Referenz für Promi-Skandale, weil er gesellschaftliche Debatten (Rassismus, Sexismus, Polizeigewalt) enthielt, aufgrund der extensiven Berichterstattung einen Einblick in das System amerikanischer Berühmtheiten gewährte und schon ein Hinweis auf das Zeitalter der ungefilterten Immer-und-überall-News war, in dem wir heute leben.

Im Gefängnis sitzt Simpson allerdings wegen eines Raubüberfalls. Bei der Zivilverhandlung wegen "widerrechtlicher Tötung" von Brown und Goldman wurde er 1996 zu einer Zahlung von 33,5 Millionen Dollar verurteilt, der Bundesstaat Kalifornien forderte 1,44 Millionen Dollar Steuern. Simpson erklärte sich für zahlungsunfähig und flüchtete nach Florida, wo Einkünfte vor Forderungen aus anderen Bundesstaaten sicher sind. Im September 2007 überfiel er dann mit Komplizen den Sportandenken-Händler Bruce Fromong in einem Hotelzimmer in Las Vegas und wurde zu einer Haftstrafe von mindestens neun und maximal 33 Jahren verurteilt. Nicht wenige sahen darin einen Ersatz für den Freispruch im Mordprozess.

Simpson sagte nun bei der Anhörung: "Ich habe quasi ein Leben ohne Konflikte geführt." Eine durchaus gewagte Aussage für jemanden, der seine damalige Ehefrau nachweislich wiederholt verprügelt hat. Er sei ein "guter Mensch", sagte Simpson noch, und: "Es tut mir leid, dass die Dinge so gelaufen sind, wie sie gelaufen sind." Selbst sein Opfer Fromong sprach sich für eine Freilassung aus.

Am 1. Oktober wird O. J. Simpson entlassen, die Bewährung endet im September 2022. Sollte er nicht gegen die strengen Auflagen verstoßen, wäre er dann ein freier Mann. The Juice is loose, wieder einmal.

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