Prozess:Der Bankräuber kam als Gerhard Schröder

In Bonn stehen zwei Männer vor Gericht, weil sie mit Politikermasken getarnt bei Überfällen Millionenbeute gemacht haben sollen.

Hans Holzhaider

Am späten Nachmittag des 19. Novembers 2001 hörte Markus Beilstein, der Filialleiter der Sparkasse in Nastätten (Rhein-Lahn-Kreis) in seinem Büro ein Geräusch, das ihn zusammenschrecken ließ. "Da fährt ein Idiot mit dem Motorrad in die Bank", dachte er sich. Als er in die Schalterhalle kam, sah er, dass er richtig gehört hatte.

Da stand mit laufendem Motor ein BMW-Geländemotorrad mitten in der Halle, und zwei mit Integralhelmen maskierte, mit einer Maschinenpistole und einem Gewehr bewaffnete Männer hielten den Kassierer und einige Kunden in Schach.

"Es waren große Kerle, bestimmt über 1,90 Meter", erinnert sich Beilstein. Der eine zwang den Kassierer mit vorgehaltener Waffe, den Tresor im Keller zu öffnen. Ein Bankangestellter hatte inzwischen die gläserne Eingangstür versperrt, aber die Räuber hatten vorgesorgt.

Mit einer schweren Metallramme zertrümmerten sie die Tür, bestiegen ihr Motorrad und brausten davon. Der Überfall hatte sich gelohnt: 887000 Mark waren den Bankräubern in die Hände gefallen.

Seit Mittwoch stehen die mutmaßlichen Täter vor Gericht, und wenn die von der Bonner Staatsanwaltschaft erhobene Anklage zutrifft, dann zählen Klaus Detlef W. und Michael R. zu den erfolgreichsten Bankräubern, die je in Deutschland tätig geworden sind. Oberstaatsanwalt Jürgen Leinhos glaubt ihnen insgesamt 36 Überfälle im Zeitraum von 1993 bis 2001 nachweisen zu können. Aus Gründen der Prozessbeschleunigung hat er nur zehn davon angeklagt, bei denen sich die Beute auf etwa 3,5 Millionen Mark summiert.

Die Vorgehensweise, der "modus operandi", wie die Ermittler das nennen, war im Wesentlichen immer der gleiche: Zwei Männer stürmten in die Bank, mal mit Motorradhelmen, mal mit Karnevalsmasken, die Gerhard Schröder oder Ronald Reagan darstellten, maskiert, einer zertrümmerte die Überwachungskameras, einer erzwang mit Waffengewalt die Öffnung des Tresors.

Sie traten entschlossen und gewaltbereit auf, manchmal gaben sie einen Warnschuss ab, aber Menschen kamen nie zu Schaden. Nachdem Klaus-Detlef W. und Michael R. im Oktober 2002 festgenommen wurden, fand die Polizei in verschiedenen im Ruhrgebiet angemieteten Garagen ein ansehnliches Waffenlager: An die 160 Handgranaten, 17 Maschinenpistolen diverser Fabrikate, Panzerfäuste, Gewehrgranaten, Sprengstoff, vollautomatische Sturmgewehre.

Vor der 3. Strafkammer des Bonner Landgerichts sitzen zwei durchaus seriös wirkende Herren gesetzten Alters - Michael R. ist 51, Klaus-Detlef W. 55 Jahre alt. Man hält die beiden für außerordentlich gefährlich. Das Gericht wird von einem großen Aufgebot bewaffneter und mit Schutzwesten ausgerüsteter Polizisten gesichert, die Angeklagten müssen auch während der Verhandlung Fußfesseln tragen, was insbesondere für Michael R. unangenehm ist.

"Ich bin kein Hannibal Lecter"

Er sei, sagt er, wegen eines vor Jahren erlittenen Trümmerbruchs des rechten Unterschenkels zu 70 Prozent schwerbehindert. Er hält diese Sicherungsmaßnahmen für etwas übertrieben. "Ich bin kein Hannibal Lecter und kein Superman", sagt er. "Ich kann doch nicht einfach davon fliegen."

Zur Sache wollen sich beide vorerst nicht äußern; noch weiß man ja nicht, welche Beweise Staatsanwalt Leinhos auf den Tisch legen kann. Niemand hat je die Gesichter der Täter gesehen, und auch Gummimasken mit Politikergesichtern sind nach dem Vorbild eines amerikanischen Gangsterfilms ein durchaus gängiges Verkleidungsmittel bei Bankräubern.

Immerhin erfährt man am ersten Prozesstag einiges aus dem Vorleben der Angeklagten. Michael R. wurde1982 schon einmal wegen eines Bankraubs zu elf Jahren Haft verurteilt und im Februar 1990 auf Bewährung entlassen. Klaus Detlef W. wurde vor sechs Wochen in Wuppertal wegen einer schon 1989 begangenen Tat zu sechs Jahren Haft verurteilt, damals hatte er nach einem Einbruchsversuch auf der Flucht einen Polizisten angeschossen.

Sein Lebenslauf ist eine traurige Geschichte: Die Mutter hatte sich selbst und eins ihrer Kinder getötet, er selbst leidet seit früher Kindheit unter starkem Stottern und wurde in der Schule so vernachlässigt, dass er weder richtig lesen noch schreiben lernte. Immer wieder beging er Diebstähle und musste ins Gefängnis, während seine junge, von ihm sehr geliebte Ehefrau dem Alkohol verfiel und der Prostitution nachging.

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