Prozess:Darf eine 14-Jährige mit einem 47-Jährigen zusammensein?

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  • Die Eltern des Mädchens wollten dem angeheirateten Onkel verbieten lassen, sich der Tochter weiterhin zu nähern.
  • Sie warfen dem Mann vor, ihr Kind zu isolieren. Die damals 14-Jährige ließ sich nichts sagen und blieb mit dem 33 Jahre älteren Mann zusammen.
  • Mittlerweile hat das Mädchen den Kontakt zu ihren Eltern abgebrochen und geht nicht mehr zur Schule.

Von Verena Mayer, Berlin

Darf ein 14-jähriges Mädchen eine intime Beziehung mit einem Mann führen, der mehr als 30 Jahre älter ist als es selbst? Diese Frage beschäftigt seit Jahren die Gerichte, zuletzt das Oberlandesgericht Brandenburg. Dies hat, wie jetzt bekannt wurde, eine eindeutige Entscheidung gefällt: Das Mädchen aus Brandenburg, das inzwischen 16 ist, darf eine Beziehung zu dem Mann haben. Alle Versuche der Eltern, ihrer Tochter dies zu verbieten, würden das Kindeswohl gefährden.

Die Geschichte des ungleichen Paares sorgt seit Frühjahr 2014 bundesweit für Schlagzeilen. Damals wurde das Mädchen von seinen Eltern als vermisst gemeldet, bald stellte sich jedoch heraus, dass es bei seinem angeheirateten Onkel war, dem Schwager des Vaters. Der 47-Jährige hatte sich mit dem Mädchen in einem Wohnmobil abgesetzt und fuhr mit dem Teenager wochenlang durch halb Europa. Nach einer internationalen Suche wurden die beiden in Südfrankreich aufgespürt und kehrten nach Deutschland zurück.

Dort hatte die Sache ein erhebliches Nachspiel. Die Eltern des Mädchens wollten dem Mann verbieten lassen, sich der Tochter weiterhin zu nähern. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelte wegen Verdachts auf sexuellen Missbrauch. Denn das Mädchen war erst 13 Jahre alt, als die Beziehung mit dem Onkel begonnen hatte, und sexuelle Handlungen mit Kindern unter 14 sind in Deutschland generell strafbar.

Dieses Verfahren wurde eingestellt, da es keine Hinweise auf sexuelle Kontakte vor dem 14. Geburtstag des Mädchens gab, die Auseinandersetzung zwischen Eltern und Tochter ging hingegen weiter. Die Eltern warfen dem Mann vor, ihr Kind zu isolieren, die 14-Jährige ließ sich nichts sagen und blieb mit dem Onkel zusammen. Beim Jugendamt sagte sie, die Liebesbeziehung sei einvernehmlich.

Die Eltern finden die Liebe ihrer Tochter "wahnhaft"

Zwar können sich Erwachsene, die älter sind als 21, strafbar machen, wenn sie eine sexuelle Beziehung mit Jugendlichen unter 16 führen - aber nur, wenn sie dabei eine mangelnde Reife oder Fähigkeit zur Selbstbestimmung ausnützen. Dies war hier aber nicht der Fall, im Gegenteil: Die Richter sahen ein "reflektiertes, früh gereiftes Mädchen", das "eine bewusste Eigenentscheidung" gefällt habe. Alle Versuche der Eltern, dazwischenzugehen, würden das Mädchen nur noch enger an den Onkel binden und dem Kindeswohl schaden.

Die Familienrechtlerin Eva Becker vom Deutschen Anwaltverein kann das nachvollziehen. Es zähle eben nicht nur der Wille der Eltern, die alles taten, um die Tochter zu sich zurückzuholen, sie ließen das Mädchen sogar für einige Wochen in der geschlossenen Psychiatrie unterbringen, weil sie das Verhältnis zum Onkel "wahnhaft" fanden. Dass das Urteil, das schon im Sommer gesprochen wurde, gerade jetzt Wellen schlägt, sei aber kein Wunder - fällt es doch mitten in die aktuelle Debatte um Kinderehen. Es gehe darum, ob eine Minderjährige freiwillig mit einem um vieles älteren Mann zusammen sein kann oder ob sie nicht eher dazu gezwungen wird. Entschieden werden müsse dies jeweils im Einzelfall, so Becker.

Zu Ende dürfte die Geschichte damit nicht sein. Die 16-Jährige hat den Kontakt zu ihren Eltern abgebrochen und geht nicht mehr zur Schule. Sie lebt mal hier, mal da, zuletzt in einer Noteinrichtung für Jugendliche. Alle Versuche, die Familie an einen Tisch zu bringen, sind gescheitert, inzwischen hat die 16-Jährige selbst ihre Eltern vor Gericht gebracht, sie will ihnen das Sorgerecht entziehen lassen. Der Streit und der Druck würden die Entwicklung des Mädchens inzwischen "massiv gefährden", so die Richter.

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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