Süddeutsche Zeitung

Vor Gericht:Dann war da plötzlich dieser Auerhahn

Zwei Männer sind im Schwarzwald wegen der Tötung eines geschützten Vogels verurteilt worden.

Von Oliver Klasen

Es sind gleich drei Vergehen, deretwegen der Angeklagte I. am Dienstag von dem Amtsgericht Titisee-Neustadt unter dem Aktenzeichen 22 Ds 451 Js 28645/19 schuldig gesprochen worden ist: "Verstoß gegen das bundesnaturschutzrechtliche Störungsverbot in Tateinheit mit Jagdwilderei und mit der Verletzung der ganzjährigen Schonzeit eines Wildes"; den genauen Wortlaut bestätigt ein Gerichtssprecher am Telefon.

I., inzwischen 21, war zur Tatzeit 20 Jahre alt, deshalb wurde er nach Jugendstrafrecht verurteilt. Eine Woche Dauerarrest muss er nun absitzen und 1000 Euro Geldstrafe an den Naturschutzbund Deutschland (Nabu) zahlen.

Womöglich wünscht sich I., jene folgenreiche Begegnung am 10. August 2019 habe es nie gegeben. I. war mit seinem Freund B., heute 23, den das Gericht zu einer Geldstrafe von 1300 Euro verurteilte, auf einer Wandertour rund um den Feldberg im Schwarzwald unterwegs, von Hütte zu Hütte, die beiden hatten wohl reichlich Alkohol konsumiert. In der Nähe der Todtnauer Hütte passierte es dann. Sie hatten eigentlich nur pinkeln wollen im Gebüsch, so sagten die beiden Männer vor Gericht aus, doch dann sei da plötzlich dieser Auerhahn gewesen, der sie angegriffen habe und gegen den sie sich hätten verteidigen müssen. "Ich hatte Angst um meine Haut", sagte I.

Die Tatwaffe: eine Flasche

Was dann geschah, stellten die beiden Angeklagten als Notwehr dar. "Ich habe ein- bis zweimal draufgehauen, weil ich wollte, dass es ruhiger wird", sagte I. Die Tatwaffe: eine Flasche.

Zeugen, die das Geschehen beobachtet hatten, sprachen vor Gericht jedoch von massiver Tierquälerei. Davon, dass die beiden Männer verfolgt worden seien, könne keine Rede sein. Im Gegenteil: Sie hätten den Auerhahn mit einer Flüssigkeit bespritzt und geschlagen. Außerdem hätten sie die Laute des Tieres nachgeäfft und es zu ihrer eigenen Belustigung mit dem Handy gefilmt.

17 Zeugen wurden während des auf zwei Verhandlungstage angesetzten Prozesses gehört, unter ihnen auch ein Sachverständiger, der das Verhalten balzender Auerhühner erörtern sollte. Ob balztoll oder nicht war im vorliegenden Fall jedoch unerheblich, denn der Auerhahn steht unter Naturschutz. Nur noch weniger als 150 Tiere, so der Sachverständige, lebten in der Region um den Feldberg.

Schon zu Beginn des Prozesses hatten sich die Angeklagten für ihre Tat entschuldigt. Ihre Verteidiger hatten auf Freispruch plädiert. Doch das Gericht folgte ihrer Version nicht und verhängte gegen den jüngeren Angeklagten zusätzlich Arrest zur Geldstrafe. Die, so erklärt der Gerichtssprecher, sei an den Nabu zu zahlen unter dem Stichwort "Feldvögel".

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