Protestmahl in Kanada:Kein Herz für Robben

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Vor laufenden Kameras verspeist Kanadas Generalgouverneurin das rohe Herz einer Robbe - aus Solidarität mit den Jägern. Tierschützer sind entsetzt.

Johann Osel

Vor ihr liegt der wuchtige Körper der toten Robbe. Mit einer Art Spachtel, einem traditionellen Eskimo-Messer, bearbeitet Michaëlle Jean das Innere des Tieres. Dann wird ihr ein Stückchen Fleisch zum Probieren angeboten. Die Generalgouverneurin Kanadas, die die britische Königin Elisabeth II. in Kanada als Staatsoberhaupt repräsentiert, beißt hinein. Es ist das rohe Herz der Robbe, von dem sie vor laufenden Fernsehkameras ein Stück verspeist. Für Tierschützer ein Skandal.

"Schmeckt wie Sushi": Generalgouverneurin Jean kostet vom rohen Herz einer Robbe. (Foto: Foto: AP)

Der Robben-Snack soll ein bisschen wie Sushi geschmeckt haben, hat Michaëlle Jean kanadischen Medienberichten zufolge im Anschluss gesagt. Dass sie ihn bei einer Feier in Rankin Inlet im nordkanadischen Territorium Nunavut aus rein kulinarischen Gründen gegessen hat, darf hingegegen kaum angenommen werden: es geht vielmehr um Politik.

Zuvor hatte Jean die traditionelle Robbenjagd der Inuit verteidigt. Die Aktion kommt drei Wochen, nachdem das EU-Parlament in Straßburg ein Importverbot für alle Waren beschlossen hatte, für die Fleisch oder Fell von Robben verarbeitet werden.

Ziel des Importbanns, der erst im kommenden Jahr in Kraft treten wird, ist zwar die kommerzielle Robbenjagd. Die traditionelle Jagd der Inuit ist ausdrücklich von der Verordnung ausgenommen, aus Rücksicht auf die Lebensweise der Ureinwohner von Kanada, Grönland und Alaska. Doch trotzdem befürchten die Inuit negative Auswirkungen auf ihren Lebensunterhalt.

Ein Robben-Snack als Solidaritätsbekundung also? Dass ihre Aktion eine Replik auf die EU-Verordnung gewesen sein soll, wies die Generalgouverneurin auf Nachfrage örtlicher Medien zurück. Der Aussagekraft der Bilder dürfte sich Jean aber auf alle Fälle bewusst gewesen sein: Denn vor ihrem Amtsantritt hat sich die gebürtige Haitianerin in der kanadischen Provinz Québec einen Namen als TV-Journalistin gemacht.

Bereits wenige Stunden nach dem Vorfall haben Tierschützer begonnen, im Internet gegen Michaëlle Jean mobilzumachen. "Ich bin nicht sicher, ob sie mehr eine Perverse oder mehr eine Idiotion ist. Vermutlich beides zur Hälfte", giftet da ein User in einem Vegetarier-Forum. Ein anderer sagt, er wartet nur auf die Nachricht, dass sich Jean durch das rohe Fleisch einen Parasiten eingefangen habe. Ein Vertreter der Tierschutzorganisation Peta meinte, Jean wolle wohl den Kanadiern ein noch stärkeres Neandertaler-Image verpassen, als sie es ohnehin schon in der Welt hätten.

Andere verspotten die Generalgouverneurin als "Kanadas Version von Sarah Palin". Die Gouverneurin des US-Bundesstaates Alaska und republikanische Kandidatin für das Amt des Vizepräsidenten, hatte 2008 eine Kampagne unterstützt, die Eisbären von der Liste gefährdeter Arten streichen lassen will.

Den kommerziellen Robbenjägern geht Jeans Geste hingegen nicht weit genug, sie sei zudem zu spät gekommen und zu gering ausgefallen, heißt es. Kein Wunder: Für ihre Produkte hat der Import-Bann der EU schließlich von 2010 an Gültigkeit. Für die kommende Saison hat die kanadische Regierung kürzlich dennoch eine üppige Quote festgesetzt: Etwa 300.000 Robben sind zur Jagd freigegeben.

© sueddeutsche.de/AFP/AP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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