Prostitution:Erregung und andere Ärgernisse

Italiens Gleichstellungsministerin Mara Carfagna, ein früheres Nacktmodel, erklärt der Prostitution den Krieg.

Stefan Ulrich

Mara Carfagna hat beides erlebt, den Segen und den Fluch der Schönheit. "Ein gutes Aussehen erleichtert die menschlichen Beziehungen", räumte die in der italienischen Politik raketengleich aufgestiegene Gleichstellungs-Ministerin nach ihrem Amtsantritt im Mai ein. Die 32 Jahre junge Signora weiß, wovon sie spricht. Als Schülerin brachte es "Mara la Bella", so ein Spitzname, zur Miss Gymnasium, und 1997 erkämpfte sie sich immerhin einen sechsten Rang bei den Miss-Italia-Wahlen.

Prostitution: Mara Carfagna

Mara Carfagna

(Foto: Foto: dpa)

Der harte Wettkampf habe sie reifen lassen, meinte sie später. Die erworbene Sicherheit wird sie nun brauchen. Gerade hat sie im Kabinett einen Gesetzesentwurf durchgesetzt, der die Straßenprostitution unter Strafe stellen soll und Prostituierte sowie Freier mit Gefängnis bedroht.

Fragen nach der Vergangenheit

Die Aufregung ist groß im Land der zahllosen Straßen- und Strandstrichs. Und die Ministerin muss sich wieder süffisante Fragen nach ihrer Vergangenheit gefallen lassen.

Denn Mara Carfagna hatte der Miss-Italia-Auftritt zu einer Karriere als Showgirl im Fernsehen verholfen. Nebenbei ließ sie für Männermagazine Aufnahmen machen, die in Italien "gewagte Fotos" heißen. Sie zeigen die spätere Ministerin etwa, wie sie sich, ganz Natur, in einem Fischernetz aalt.

Natürlich wird sie von Journalisten und Politrivalen oft darauf angesprochen. "Wissen Sie, dass Ihre Kollegen nach Ihren Fotos im Internet gucken?", fragte sie ein Interviewer. Sie antwortete: "Freut mich. Dann verbringen sie ein paar schöne Minuten." Im Grunde aber nervt die Tochter einer Professorin und eines Schuldirektors, dass sie mit ihrer Schönheit Aufsehen erregt statt mit politischen Taten. Sie wolle "nach Fakten und nicht auf Grund von Geschwätz" beurteilt werden, sagte sie kürzlich.

Jura mit Bestnoten

Die Fakten? Neben ihrer Karriere als Fernseh-Sternchen studierte Carfagna Jura - und schloss mit Bestnoten ab. Sie interessierte sich für Politik und stieß 2004 zu Silvio Berlusconis Partei Forza Italia. Damit begann ihr märchenhafter Aufstieg. Man tut Carfagna kaum Unrecht, wenn man mutmaßt, Berlusconi habe zuerst wegen ihrer Bellezza ein Auge auf sie geworfen.

Er ließ die junge Frau 2006 ins Parlament wählen, und bekannte ein Jahr später vor laufenden Kameras: "Wenn ich nicht schon verheiratet wäre, würde ich sie sofort heiraten."

Das Kompliment löste einen Rosenkrieg im Hause Berlusconi aus, den Silvio und seine Gattin Veronica in den Medien austrugen. Diesen Mai machte der Cavaliere "Mara la Bella" überraschend zur Gleichstellungsministerin, was Spekulationen über ihre Qualifikationen hervorrief. Sabina Guzzanti, eine bekannte Kabarettistin, sagte ihr öffentlich ein Verhältnis zu Berlusconi nach. Carfagna drohte mit Klage: "Die Justiz muss entscheiden, ob das Satire oder Verleumdung ist." Sie wisse, dass sie mit dem Vorurteil kämpfen müsse, inkompetent zu sein.

Umso stringenter versucht Mara Carfagna nun, ihre Politikerrolle auszufüllen. Längst hat sie das Fischernetz mit eleganten Hosenanzügen vertauscht, die wilde Haarmähne ist einem akkuraten Bubi-Schnitt gewichen. So seriös gewandelt setzt sie sich für die Stärkung der Familien ein. Sie will erreichen, dass Frauen leichter arbeiten und zugleich Kinder haben können, etwa wie in Frankreich. Für Frauenquoten hat sie dagegen nichts übrig. Ihr eigenes Beispiel zeige doch, dass diese unnötig seien. Damit erbost sie manche Frauenrechtlerin. Auch die Schwulenverbände sind sauer.

Gefängnisstrafen für Freier und Huren

Denn Carfagna findet, Homosexuelle seien nicht mehr diskriminiert und bräuchten daher keine neuen Rechte. Allmählich erregt die "Schöne Mara" also auch politisch Aufsehen. Ihr Kampf gegen die Prostitution wird das verstärken. Nach ihren Plänen sollen Prostituierte und Freier mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bestraft werden können. Menschen, die Minderjährige sexuell ausbeuten, riskieren zwölf Jahre Haft. Carfagna meint, ihr Gesetz sei "eine schwere Ohrfeige für den Markt der Prostitution".

Nun muss das Parlament entscheiden. Schon setzt es reichlich Kritik. Zwar dürfte niemand bestreiten, dass Italien viel schärfer gegen jene Verbrecher vorgehen muss, die Frauen aus dem Ausland herlocken und zu Sexsklavinnen machen oder Kinder auf den Strich schicken.

Straßenprostitution allgemein zu verfolgen wird aber als falscher Weg kritisiert. "Die Prostitution ist eher ein soziales Problem als eines der öffentlichen Ordnung", meinte ein Caritas-Vertreter. Durch ein Verbot werde das Sex-Geschäft in Privathäuser verschoben, zu denen Polizisten und Sozialarbeiter kaum Zugang fänden.

Carla Corso, die ein Komitee für die Rechte von Prostituierten gegründet hat, erinnert derweil spöttisch daran, auch Mara Carfagna habe einst mit ihren Nacktfotos ihren Körper dafür eingesetzt, "um dort hinzukommen, wo sie hingekommen ist. Es reicht, ins Internet zu gehen, um ihre Reize zu sehen." Da wäre er wieder - der Fluch der Schönheit.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: